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Ausnahmereglen für den FußballKleine Kunst und großer Kick

Wer im Auftrag des Fußballs unterwegs ist, darf sich in Coronazeiten zwingend notwendig und wichtig fühlen. Davon können andere nur träumen.

Sonderregeln: die Uefa darf die Menschen wieder zusammenbringen, andere dürfen das nicht Foto: NurPhoto/imago

W ichtig bin ich. Und wie! Das hat mir die Uefa nun hochoffiziell bestätigt. Sie hat mir einen „Quarantine Exemption Letter“ geschickt, in dem sie darum bittet, mich von geltenden Quarantänebestimmungen auszunehmen. Mit Reisepassnummer und Geburtsdatum wird mir bestätigt, dass ich zum Viertelfinalspiel der Belgier gegen Italien in München arbeiten werde. „Für die damit verbundene Einreise nach Deutschland liegt folglich eine zwingende berufliche Notwendigkeit zugrunde, da die Anwesenheit in München für die Durchführung dieser internationalen Sportveranstaltung (EQV §2, (3), 5.) notwendig ist.“ Ohne mich geht also gar nichts. Was für ein Gefühl!

EQV steht für Einreise-Quarantäneverordnung. Es herrscht ja immer noch Pandemie da draußen, auch wenn Bilder aus Stadien und Biergärten immer mehr den Eindruck vermitteln, dass das alles gar nicht so schlimm ist. Wie schlimm es wirklich ist, wüsste ich schon gerne. Gehöre ich als Fußballreporter zu einer Art Uefa-Todesschwadron, die verantwortlich für das Sterben vieler Menschen ist, so wie es Corona-Warn-Apostel Karl Lauterbach gesagt hat? Oder bin ich Teil eines Spektakels, dessen Risiko sich beherrschen lässt?

Ein Münchner Musiker, den ich noch aus Schulzeiten kenne, stellt sich derartige Fragen auch immer wieder. Als Jazz- und Folkmusiker, der kleine Gagen gewöhnt ist, hat er sich über die Jahre nur deshalb über Wasser halten können, weil er so häufig aufgetreten ist. Titus Waldenfels jedenfalls kennt die Bilder der Münchner EM-Arena, wo 14.000 Leute zu den Spielen dürfen und niemand die geltende Maskenpflicht so recht kontrolliert. Dann fragt er sich, warum für ihn viel strengere Regeln gelten.

Begleitmusik zu einer Gartenausstellung hat man neulich verboten, weil nicht alle Gäste einen festen Sitzplatz hatten. Wenn es dem Infektionsschutz dient, sagt Waldenfels, dann möge es so sein. Gleichzeitig findet ein riesiges Fußballspektakel statt. Er weiß nicht so recht. Was er weiß, ist, wie lange Clubs und Musikbars schon geschlossen haben.

Es habe Momente der Verzweiflung in dieser Pandemie gegeben, sagt er. Aufgehört zu spielen hat er nie. Auch mir haben Streams seiner Wohnzimmerkonzerte geholfen, durch den Kulturlockdown zu kommen. Was er dabei eingenommen hat, hat ihm das Überleben gesichert. Und ein bisschen hat es ihm auch ein gutes Gefühl vermittelt. Früher habe er gespielt, wo sowieso Musik gespielt wurde. Ob jemand wirklich wegen ihm gekommen ist, das wusste er nicht. Jetzt weiß er, dass er ein eigenes Publikum hat.

Mit Fußball hat er übrigens nichts am Hut. Er versteht aber, wie man Fußballfan werden kann. Seine zwei Söhne seien auch welche. Sollen die Leute doch jubeln. Aber warum sollte sich der Fußball so viel wichtiger nehmen dürfen als die frei finanzierte kleine Kultur? Ich sollte mich vielleicht ebenfalls nicht so wichtig nehmen, auch wenn mir die Uefa meine Bedeutung hochoffiziell bestätigt hat.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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