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Ausbeutung von PflegekräftenDie Vermittler kassieren ab

Oft sind Firmen, die Pflegerinnen beschaffen, arbeitsrechtlich nicht zu belangen. Die osteuropäischen Beschäftigten leiden unter zu langer Arbeitszeit und nächtlicher Bereitschaft.

Agenturen in Deutschland kassieren für die Vermittlung von Pflegepersonal meist eine Gebühr zwischen 300 und 1.000 Euro. Bild: dpa

BERLIN taz | Gute-Wesen.de, Seniorcare24.de oder Seniorenbetreuung24h.eu – im Internet werben unzählige Vermittlerfirmen mit einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung von Angehörigen durch osteuropäische Pflegekräfte. Und das unschlagbar günstig ab 1.200 Euro monatlich.

Firmen in Deutschland kassieren für die Vermittlung einer Pflegehilfe von den Familien meist eine einmalige Gebühr zwischen 300 und 1.000 Euro, manchmal aber auch monatliche Beiträge. Die Arbeitskräfte selbst werden dann von Unternehmen mit Sitz in Osteuropa nach Deutschland entsandt. Diese stellen auch den Arbeitsvertrag aus.

Trotzdem sind die Vermittler auf deutschem Boden oft der erste Ansprechpartner für die Familien. Die Firmen geben den Pflegerinnen oft Anweisungen, sind aber, da sie mit ihnen keinen Vertrag geschlossen haben, für arbeitsrechtliche Fragen nicht haftbar zu machen.

Das ist nicht zuletzt bei der Arbeitszeit ein Problem. Tagsüber 14 Stunden arbeiten, nachts immer bereit sein und bei häufig anfallenden Toilettengängen helfen – viele Pflegebedürftige müssen rund um die Uhr betreut werden. Tatsächlich gilt für osteuropäische Pflegekräfte in Privathaushalten nicht einmal auf dem Papier das deutsche Arbeitszeitgesetz.

Acht Stunden wären der Regelfall

Es schreibt im Regelfall eine Arbeitszeit von acht Stunden und danach eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden vor. Dass gelte im Grundsatz auch für entsandte Arbeitnehmer. Doch für Pflegekräfte in Privathaushalten gibt es Einschränkungen, hat die Bundesregierung in einer Antwort auf die Anfrage der Linkspartei kürzlich bestätigt.

Die Regierung verweist auf Paragraf 18 des Regelwerks. Der besagt, dass das Gesetz nicht greift für Arbeitnehmer, die „in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen“.

Gerichte müssten in strittigen Einzelfällen über die Arbeitszeit entscheiden, heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium. Doch kaum eine der Frauen, die immer wieder nur ein paar Monate in Deutschland arbeiten, wird hier einen Prozess anstrengen.

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1 Kommentar

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  • P
    Pfleger

    >Es schreibt im Regelfall eine Arbeitszeit von acht Stunden und danach eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden vor.[] Doch für Pflegekräfte in Privathaushalten gibt es Einschränkungen<

     

    Nicht nur in Privathaushalten gibt es diese Einschränkungen für Pflegekräfte, auch in den Krankenhäusern: nur neun Stunden "Ruhezeit" zwischen zwei Diensten sind oft die Regel, bei Mehrarbeit im vorangegangenen Dienst kann sich diese Zeit sogar noch verkürzen. Ein Unding, wenn z. B. im Dienst vom Arbeitsaufkommen oft nicht mal eine kurze Pause drin sitzt! Zulässig ist das nicht, aber Gang und Gebe. Wem es nicht passt, der kann ja gehen. Das ist die ausschließlich profitorientierte Arbeitgebermentalität.

    Aber auch der Gesetzgeber macht da mit: haben andere Berufsgruppen eine minimale Ruhezeit von elf Stunden zwischen zwei Diensten als Vorschrift, reduziert man die in der Pflege auf zehn. Zuwenig, das kann ich mit Fug und Recht nach 25 Jahren Uniklinik behaupten. Erschwerend kommt der Weg vom und zum Arbeitsplatz hinzu. Manche Kollegen, vor allem auf dem platten Land, sitzen während ihrer "Ruhezeit" noch ein bis zwei Stunden im Auto: nachts um 22 und morgens um 5 Uhr. Und das bei der extremen Verantwortung unter schwersten psychischen Bedingungen, die in den Krankenhäusern täglich auf unseren Schultern lastet. Da muss man sich nicht wundern, dass bereits 30 Jährige Kollegen ausgebrannt sind.

    Und was sich da auch noch in der häuslichen Pflege anbahnt: man mag nicht darüber nachdenken...