: Aus zwei Verfahren eins gemacht?
■ Ein ursprünglich eingestellter Prozeß kommt vor eine Große Strafkammer / Rechtsanwalt protestiert
Moabit. In einem Verfahren, das längst eingestellt gewesen war, verurteilte gestern die 20. Strafkammer des Landgerichts Tiergarten zwei Angeklagte zu insgesamt zwei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe. Doch der Prozeß verwundert nicht nur wegen der verhältnismäßig hohen Strafe.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Ayetdin K. (26) und Astrid T. (25) wegen Körperverletzung eingestellt, weil die beiden Angeklagten in einem anderen Prozeß wegen Hehlerei eine wesentlich höhere Strafe zu erwarten hatten. Daß das Verfahren wegen Körperverletzung dann doch wieder eröffnet wurde - und zwar von der 20. Strafkammer - „entsetzte“ Rechtsanwalt Eugen Sauttert. Denn dieselbe Strafkammer hat seine Berufung gegen das Urteil im Hehlereiprozeß nicht nur verworfen, sondern die Geldstrafe für Ayetdin K. und Astrid T. für zu schwach befunden. Die Vorsitzende Richterin Schwarzmann bemängelte damals, aufgrund des Nichtschlechterstellungsgebotes die Strafe nicht erhöhen zu dürfen. Sauttert vermutet, daß die Richterin das ursprünglich eingestellte Verfahren wegen Körperverletzung absichtlich an sich gezogen habe, um hier das scharfe Urteil zu fällen. - Weil die Tat über dreieinhalb Jahre her ist, hatten gestern alle Beteiligten Schwierigkeiten, sich genau an die Schlägerei im Cafe Cash zu erinnern.
In etwa soll es aber so zu der Schlägerei gekommen sein: Damals kam Uwe M. (36) um zwei Uhr nachts in das Cafe Cash, um eine Fahne mitzunehmen. Die Fahne der Olympischen Spiele 1936 in Berlin hatte Uwe M. dem Cafe Wochen vorher verkauft gehabt, aber nie den vollen Preis von 100 DM erhalten. Beim Abnehmen der Flagge am 11. März 1987 kam es zu einem Gerangel mit der Bedienung Astrid T., in dessen Verlauf sich offenbar zwei Gäste in die Auseinandersetzung einmischten. Einer der Gäste war Ayetdin K. Auf Uwe M., der am Boden lag, wurde heftig eingeprügelt und -getreten. Mit leichter Gehirnerschütterung, Prellungen und ausgerissenen Haarbüscheln mußte er ins Krankenhaus. Seiner Freundin Marianne B. (35), die ihm helfen wollte, wurde mit der Faust ins Gesicht geschlagen, und ihr wurden ebenfalls Haarbüschel ausgerissen. Zeitweise war sie bewußtlos.
Die Anwälte von Astrid T. und Ayetdin K. gehen gegen das Urteil von zwei Jahren und zehn Monaten in Revision.
Dirk Wildt
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