Aus religiösen Gründen: Hungerstreik in Guantanamo
Mehrere Hätflinge in Guantanamo befinden sich im Hungerstreik, sie beklagen sich über Koranschändung. Die Leitung des Gefangenenlagers relativiert die Vorfälle.
WASHINGTON afp | Im US-Gefangenenlager Guantanamo befinden sich mehrere Häftlinge im Hungerstreik. Eine Gruppe von Anwälten beklagte in einem Brief an Guantanamo-Kommandeur John Smith, dass sich der Zustand einiger Insassen „rapide“ verschlechtert habe. Grund für die Nahrungsverweigerung sei die Durchsuchung persönlicher Dinge, bei der Wärter auch unangemessen mit Koran-Ausgaben umgegangen sein sollen.
„Wir haben Berichte über Männer erhalten, die Blut husten, ins Krankenhaus eingeliefert werden, das Bewusstsein verlieren, schwach und müde werden“, heißt es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur AFP am Montag vorlag. Die Häftlinge hätten die Kontrolle ihrer Korane als „Schändung“ des heiligen Buches empfunden. Außerdem hätten sich einige Gefangene beim Gebet „respektlos“ behandelt gefühlt.
Die Leitung des Guantanamo-Lagers wies die Vorwürfe zurück. Es habe keine Koranschändung gegeben, sagte der für die Kommunikation verantwortliche US-Offizier Robert Durand. Während einer Routinedurchsuchung nach Schmuggelware sei „nichts Ungewöhnliches passiert“. Der Offizier bestätigte, dass sich neun Gefangene im Hungerstreik befänden, von denen fünf künstlich ernährt würden.
Auf „normalem Niveau“?
Zudem würden einige Häftlinge zwar die bereitgestellten Mahlzeiten verweigern, dann aber von ihrem Vorrat in den Zellen essen, sagte Durand. Insgesamt sei die Zahl der Häftlinge im Hungerstreik auf einem „normalen Niveau“ und in der Vergangenheit bereits deutlich höher gewesen.
Die New Yorker Anwältin Pardiss Kebriaei, die einen in Guantanamo inhaftierten Jemeniten vertritt, sagte dagegen, sie habe Informationen darüber, dass „die meisten Gefangenen im Camp 6“ im Hungerstreik seien. Camp 6 ist die größte Einheit des Gefangenenlagers, hier sitzt der Großteil der noch in Guantanamo verbliebenen 166 Häftlinge ein. Kebriaei erklärte, dass ihr Mandant seit 30 Tagen im Hungerstreik sei und schon mehr als zehn Kilo abgenommen habe.
Die USA hatten das Gefangenenlager Anfang 2002 auf ihrem Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba eingerichtet, um Terrorverdächtige nach den Anschlägen vom 11. September zu inhaftieren. Mehr als 800 Männer und Heranwachsende wurden dort über die Jahre meist ohne Anklage festgehalten.
US-Präsident Barack Obama hatte nach seinem Amtsantritt Anfang 2009 versprochen, das umstrittene Lager binnen eines Jahres dichtzumachen. Der Kongress verweigerte aber die finanziellen Mittel für die Schließung und blockierte die Verlegung von Guantanamo-Häftlingen in Gefängnisse in den USA.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen