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joschka kandidiertAus heimlich wird unheimlich

Wenn von Joschka Fischer in den letzten Tagen die Rede war, dann vor allem im Duktus der Enttäuschung. Die grünen Meinungsführer waren enttäuscht, dass er sich nicht für den neuen Parteirat bewarb; und auch die mediale Öffentlichkeit fand, dass aus dem „heimlichen Vorsitzenden“ endlich ein „unheimlicher“, ein offizieller, werden sollte.

Jetzt hat Fischer nachgegeben. Überraschend kündigte er an, sich doch für den Parteirat zu bewerben. Prompt schlug die Enttäuschung in ihr dialektisches Gegenteil um – in die Heilserwartung. Der Parteirat hat 16 Mitglieder, doch nur einer zählt. Kaum gab Fischer seine Kandidatur bekannt, sah der Parteivorstand schon die verstärkte „Chance eines Neubeginns“.

Kommentarvon ULRIKE HERRMANN

Die Heilserwartung gehört zwar nicht ins traditionelle grüne Repertoire, dennoch ist kein Widerstand von der Parteibasis zu erwarten. Uneingestanden teilt sie längst den Glauben, dass die eigene Politik personalisiert werden muss: Seit dem letzten Bundestagswahlkampf, dieser Ein-Mann-Show des Joschka Fischer, sind die meisten Grünen überzeugt, dass die Partei ohne seine Führung untergeht.

Fischer ist deswegen in der Tat die „Riesenmehrheit“ sicher, die der grüne Bundesvorstand prognostiziert. Von außen betrachtet mag dies keine Nachricht sein; für die Logik grüner Parteitage wäre es eine Revolution. In seiner Reinform war das klassische Ritual bei der letzten Delegiertenkonferenz in Karlsruhe zu betrachten: Erst kommen die Sachthemen dran – auch damals schon der Atomkonsens –, die mit eiserner Disziplin durchgestimmt werden. Obwohl der Kompromiss viele Delegierte schmerzt. Dafür bricht dann das Chaos los, sobald der politische Schaden kalkulierbar scheint: also bei parteiinternen Beschlüssen. Schließlich will man sich als Delegierter nicht nur als Stimmvieh fühlen, sondern als autonomer Entscheidungsträger. In Karlsruhe kippte deswegen die Strukturreform; nach alter Logik müsste diesmal Fischer einen Denkzettel einstecken.

Doch ist damit eben nicht zu rechnen. Längst hat die Heilserwartung alle erfasst – bis auf einen: Fischer. Wahrscheinlich zu Recht. Wahrscheinlich hat die Krise der Grünen nichts mit ihrer Führung zu tun. Solange Fischer heimlicher Vorsitzender war, konnte dies nicht unheimlich auffallen, blieb zumindest er unbeschadet. Doch nun wird es nicht nur eine Krise der Grünen geben, sondern auch viele neue Gelegenheiten, im Duktus der Enttäuschung über Fischer zu berichten.

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