Aus für Literaturzeitschrift "Bunter Hund": Eltern sind Hundemörder
"Der Bunte Hund", die einzige Literaturzeitschrift für Kinder, wird eingestellt. Das hat wirtschaftliche Gründe, sagt aber auch etwas über Eltern in Pisa-Zeiten aus: Sie sind doof!
Das ist ein Schlag ins Gesicht kindlicher Leseratten. Der Bunte Hund wird eingestellt, die einzige Literaturzeitschrift für, wie es etwas betulich hieß, "Kinder in den besten Jahren". Das aktuelle Juli/August-Heft dieser formidablen Zeitschrift wird das letzte sein. Kinder in den besten Jahren, das sind die Kids zwischen sieben und elf - die spannendste Zielgruppe also, seitdem der Pisaschock den Bedarf an Leseverführung deutlich machte. Dennoch ging Der Bunte Hund ein. Genauer: Der Beltz-Verlag, eines der besten Häuser mit pädagogischer Expertise, drehte ihm in brutaler save-shareholder-value-Manier den Hals um. Was sagt das über den Post-Pisa-Markt? Was über die Eltern der deutschen Generation Legasthenie?
Seit 1981 gab es den Bunten Hund in kleiner, aber feiner Ausgabe dreimal im Jahr im Abonnement. Ende 2007 stromerte er als relaunch auch an Kiosken umher, Gesamtauflage 60.000 Stück. Er war erweitert, gebürstet und auf Hochglanz poliert worden, für jedes Kind 10 Mal im Jahr für knapp 5 Euro im Direktverkauf zu haben. Doch da ging die Rechnung des Verlags nicht auf: Der Hund konnte sich gegen die über hundert Kinderzeitschriften von Barbie über Geolino bis Wendy am Kiosk nicht durchsetzen. Während die Abonnements leicht anstiegen, konnten "die geplanten Verkaufszahlen" im freien Verkauf nicht erreicht werden. Das ist zunächst kein Wunder, denn keines der Konkurrenzheftchen kommt ohne die Tüte auf dem Titel aus, in dem irgendein Plastikgimmick die Kinder zu Kaufbefehlen an ihre Eltern provoziert.
Wer da mithalten will, braucht zweierlei. Erstens einen längeren Atem als die Galgenfrist von acht Monaten, mit dem Beltz den Bunten Hund wie einen räudigen Köter auf die Straße und an den Kiosk gejagt hat. Und zweitens eine kluge Strategie, um die Erstlesekinder auf die Pretiosen im Heft aufmerksam zu machen. Und die gab es zuhauf. Der Hund war eine Literaturzeitschrift vom Feinsten. Hier gab es Geschichten, Gedichte, Märchen, Reiseberichte - erzählt und gezeichnet von den besten Autoren und Illustratoren. Und das alles in knapper Form, appetitanregend, um die Eltern zum Gang in die nächste Buchhandlung zu animieren. Der Hund verzichtete auch nicht auf Witze, Comics oder Mangas, auf Mitmach-Seiten oder Lesetipps von Kindern für Kinder. Das Herzstück aber bildete der Erzählwettbewerb: zu einem ganzseitigen Bild eines bekannten Illustrators waren Kinder aufgefordert eine Geschichte zu erfinden. Zum Teil gingen 500 Zusendungen beim Verlag ein, eine riesige Zahl, die Ausdruck des Potenzials ist, dass Der Bunte Hund zum Schreiben reizte. Für Lehrer gab es das Beiblatt "Der bunte Hund macht Schule" mit Unterrichtsideen und Kopiervorlagen.
Der bevorstehende Tod des Hundes sagt aber auch etwas über die pisagepeinigten Eltern. Sie sind wirklich die döfste Gruppe unter all denen, welche die Schulleistungsstudie zu Reaktionen genötigt hat. Lehrer und Kultusminister schalteten seitdem, von Ausnahmen abgesehen, weitgehend auf Durchzug. Aber der Aktionismus und die gleichzeitige Blindheit der Kinderzeuger und -bemutterer ist an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Väter und Mütter würgen an Elternabenden beinahe alles ab, was irgendwie nach vorne weist. Sie können es sich in ihrer alten Feuerzangenbowlenromantik gar nicht vorstellen, dass Kinder nicht nur frontal und notengespickt lernen. In den Buchhandlungen aber kaufen Eltern noch jedes zusammengeheftete Machwerk - solange Pisa drauf steht und "Was ihr Kind wissen muss". Der Geschäftsführer der umtriebigen Stiftung Lesen, Heinrich Kreibich, sagt, "dass pädagogische Kinder- und Jugendzeitschriften insgesamt mehr in das Bewusstsein junger Eltern rücken müssen". Das ist vornehm ausgedrückt.
Es ist Zeit, dass die Eltern endlich aufwachen. Vielleicht weckt sie das letzte Bellen des Bunten Hundes. Das jüngste Heft liegt am Kiosk.
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