: Aus für Aust
■ Der „Spiegel“-Chef Stefan Aust will kein Sat.1-Talkmaster mehr sein
Nichts ist schöner, als sich selbst zu zitieren. So schrieb ich am vergangenen Samstag in der taz einen Fernsehjahresausblick 99 und prognostizierte u.a.: „Gleich zu Jahresbeginn sorgt Turm-Talker Stefan Aust für ein erstes Glanzlicht“ – er werde vom Sat.1-Chef Fred Kogel gefeuert. Heute ist Montag, und Aust „steht auf Dauer für die Moderation nicht mehr zur Verfügung“, wie es in einer Pressemitteilung Austs heißt. Wenn das so weitergeht...
Allerdings muß man ehrlicherweise zugeben, daß diese Trennung schon länger erwartet werden konnte. Denn von Anfang an war die Verbindung zwischen Sat.1 und dem Spiegel-Chefredakteur problematisch. Als 1998 Moderator Erich Böhme erstmals verlauten ließ, daß er sich aus dem Fernsehen zurückziehen wolle, hatte die Sat.1-Programmleitung bereits mit der Entwicklung eines Alternativkonzepts für den Sonntagabend begonnen.
Letztlich entschloß sich Sat.1 dann aber doch, das einmal eingeführte Talk-Format beizubehalten und auf Kontinuität zu setzen. Nun sollte nach Ex-Spiegel-Chefredakteur Böhme eben der aktuelle Spiegel-Chef Aust jeden Sonntagabend das „halbe Kabinett im Turm versammeln“ (Sat.1).
Doch Austs Fernsehgesicht stand für die Konkurrenz, für „Spiegel TV“, das er mitentwickelt und moderierte hatte und immer noch verantwortete. Der Mann, der die hemdsärmelig-unterkühlte Moderation zu seinem Markenzeichen gemacht hatte, sollte jetzt plötzlich locker mit den führenden Politfiguren parlieren. Schon die ersten Sendungen gerieten denn auch erwartungsgemäß arg verkrampft, und Austs aufgesetzte Flapsigkeit nahm immer peinlichere Züge an. Selbst der Versuch, leichte Veränderungen am Konzept durchzusetzen, scheiterte. (Erinnert sei hier nur an die weizenbierselige Stammtischrunde zum Thema „Gemeinsamkeiten zwischen Fußball und Politik“.)
Zudem erntete Aust für seinen Talk-Aktivitäten von der Spiegel- Redaktion mehr und mehr Kritik: Man habe „heftige Bedenken“, ob beide Tätigkeiten noch zusammengingen. Nachdem auch Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein (wie Aust der BamS berichtetete) „freundschaftlich“ anmahnte: „Junge, tu dir das doch nicht an!“, folgte Aust dem halbväterlichen Rat und kündigte bei Sat.1: „Die Sendung nimmt im Kopf zuviel Raum ein. (...) Ich habe den Zeitaufwand unterschätzt.“
Wie es weitergehen soll mit „Talk im Turm“ ist noch ungeklärt: Sat.1 ist derzeit zu keiner Stellungnahme bereit, Aust wird voraussichtlich am 17. Januar seine letzte Sendung moderieren.
Danach kommt es wahrscheinlich genau so, wie am vergangenen Samstag im Jahresausblick 1999 angekündigt: „Sat.1 wird zukünftig am Sonntag die neue Comedyshow ,titanic tv‘ ausstrahlen.“ Besser als Austs „Talk im Turm“ wäre es allemal. Michael „Kassandra“ Ringel
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