piwik no script img

Augsburger Höhenflug„Einfach der Wahnsinn!“

Die bayerischen Schwaben wurden als Abstiegskandidat gehandelt. Nun ist Augsburg Bundesliga-Dritter. Geht das so weiter, spielt der FCA international.

Bierdusche: Trainer Markus Weinzierl nach dem gelungenen Klassenerhalt am letzten Spieltag der Saison 2012/13 Bild: dpa

KÖLN taz | Markus Weinzierl war die Sache offenkundig ein wenig unheimlich, denn schon wieder war alles ganz genau so gekommen, wie er sich das ausgedacht hatte. Fußball ist ja eigentlich ein Spiel des Misslingens, ein ewiger Kreislauf der gescheiterten Versuche, nur deshalb fallen vergleichsweise wenig Tore. Ganz selten gibt es doch diese Phasen, in denen alles zu gelingen scheint.

So wie im Moment beim FC Augsburg. „Wenn’s läuft, dann läuft’s“, sagte Weinzierl, nachdem sein Klub durch ein Tor in der letzten Minute mit 2:1 beim 1. FC Köln gewonnen hatte und auf den dritten Tabellenplatz gesprungen war. Dieser zentrale Satz in Weinzierls Lagebericht ist zwar nicht besonders analytisch, beschreibt aber das Gefühl, von dem die Augsburger im Moment beflügelt werden. Manchmal lassen sich Erfolge nicht allein mit theoretischem Handwerkszeug aus der Trainerausbildung begreifen.

Um Fassung ringend schüttelte Weinzierl nach dem Abpfiff den Kopf, weil sein Plan für die zweite Halbzeit so unglaublich perfekt aufgegangen war. Sogar die Prophezeiung des Siegtorschützen war ihm gelungen. „Entscheide das Spiel“, habe der Trainer ihm bei seiner Einwechslung als Mission für die letzten fünf Spielminuten mitgegeben, berichtete Alexander Esswein, der diese Aufgabe umgehend erfüllte. Der Schuss war abgefälscht. „Dass dieser Ball in der letzten Minute reingeht, zeigt, dass wir das Glück im Moment auf unserer Seite haben“, sagte Esswein.

Die Augsburger wollten dieses Auswärtsspiel unbedingt gewinnen, und damit haben sie sich eine Eigenschaft zugelegt, die als wesentliches Kennzeichen echter Spitzenmannschaften gilt. Zwei Drittel der Klubs aus der Liga hätten sich nach dieser eher schwachen ersten Halbzeit, die Augsburg bot, mit einem Punkt im Auswärtsspiel zufrieden gegeben. Nicht aber Weinzierl, der sein Team immer wieder nach vorne trieb.

Besonnen, aber konsequent

Der junge Trainer und Manager Stefan Reuter fordert schon länger, „dass wir immer gierig sein sollen“, erzählte Tobias Werner später, und diese Gier war in der Schlussphase förmlich greifbar. Die Kölner, die eine starke erste Halbzeit gespielt hatten und verdient mit 1:0 in Führung gegangen waren, hätten am Ende „nur noch darauf gehofft, dass die Zeit irgendwie vergeht“, konstatierte FC-Trainer Peter Stöger, Augsburg spielte dagegen nach Nicola Djurdjics 1:1 (53.) besonnen, aber konsequent auf die drei Punkte. „Ein Sieg in letzter Minute schmeckt gut“, sagte Djurcjic: „24 Punkte nach 14 Spielen sind einfach der Wahnsinn.“

Inzwischen wäre es nicht einmal mehr verwunderlich, wenn diese Mannschaft die Sache bis zum Schluss durchzieht und in der kommenden Saison im Europapokal spielt. Auch Frankfurt, Mainz und Freiburg haben sich in den vergangenen Jahren von solchen Phasen der Leichtigkeit auf die europäische Bühne tragen lassen. Wobei die Spieler und die Trainer dieses Thema reflexhaft abwehren. Daniel Baier sprach von einer „Momentaufnahme“, und Tobias Werner erklärte pflichtbewusst: „Wir bleiben bodenständig, wir wollen den Klassenerhalt.“

Am Abend saß dann Halil Altintop im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF und versuchte, ein paar Hintergründe des erstaunlichen Erfolges zu erläutern. „Es gibt bei uns keinen einzigen Spieler, der aus der Reihe tanzt und meint, er sei besser“, erzählte der Deutschtürke, der zwar ein eher introvertierter Mensch ist, auf dem Platz aber zu den Anführern zählt. Außerdem überlasse Weinzierl „nichts dem Zufall, er bereitet uns auf alles vor, was im Spiel passieren kann“.

Und Altintop ist auch derjenige, der Lust hat auf den Europapokal: „Halil hat uns erzählt, wie schön die europäischen Ligen sind“, berichtete Tobias Werner. Der Gedanke an die ganz große Sensation ist also durchaus vorhanden. Konkretisieren wird er sich aber erst im Frühjahr. „Bis Weihnachten lassen wir uns jetzt erst noch mal ein paar Kekse schmecken, dann sehen wir weiter“, sagte Torhüter Alexander Manninger.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!