Auftakt des Filmfestivals Venedig: Löwen für Hollywood
Lidokino 1: Die 79. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig startet. Versprochen sind fast vorpandemische Zustände – und starke Frauen.
Seit Beginn der Pandemie zeichnet sich bei Filmfestivals eine digitale Bürokratisierung des Geschehens ab. In Cannes, Berlin und Venedig greift man inzwischen exklusiv zu Onlinebuchungen, um Festivalbesuchern den Zutritt zu den Kinos zu ermöglichen – oder zu verwehren, falls diese online nicht rechtzeitig auf dem Posten waren.
Die internationalen Filmfestspiele von Venedig griffen 2020 als erstes der drei großen Festivals zu dieser Lösung, Berlin war noch einmal davongekommen, Cannes musste ausfallen. Auf dem Lido von Venedig waren die Kinos dann für zwei Jahre lediglich halb gefüllt, um Abstand zwischen den Zuschauern zu gewähren.
Auch bei der 79. Ausgabe der Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica gibt es wieder ein Onlinebuchungssystem, die Kinos können jetzt aber bis auf den letzten Platz besetzt sein. Masken sind, so steht zu erwarten, eine freiwillige Sache.
Mit dem Onlineverfahren wurden in Venedig jedoch zumindest Warteschlangen vermieden, was nach wie vor ein Vorzug ist. Vorausgesetzt, man benötigt nicht, wie am ersten Tag der Vorabbuchungen geschehen, über fünf Stunden, um sich Tickets für zwei Tage zu sichern.
Vorausplanung ist mithin bei den Besuchern nötig, ferner aufseiten des Festivals ein technischer Anbieter, dessen System mehrere Tausend Ticketsuchende ohne Überlastungsanzeichen auf einmal verkraften kann. Bloß, selbst wenn die Datenströme ungehindert fließen: Was den Festivals damit verloren geht, ist Spontaneität.
Man kann nicht mehr, wie früher, sich kurzfristig nach einer Vorführung einfach in eine Schlange der freien Wahl einreihen, es sei denn, man findet unerwartet und rechtzeitig ein zurückgegebenes Ticket, online, versteht sich. Entdeckungen werden so zu einer Frage des intuitiven Anklickens, was auch seinen Reiz haben kann.
Aufmarsch der Oscar-Anwärter
Venedig gilt als Festival für Oscar-Anwärter. An Kandidaten sind denn auch einige im Wettbewerbsprogramm vertreten: Aus den USA Noah Baumbach, dessen Don-DeLillo-Verfilmung „White Noise“ zur Eröffnung läuft, ebenso Darren Aronofsky, der sich in „The Whale“ mit Adipositas beschäftigt.
In „Blonde“ des Australiers Andrew Dominik ist wiederum Ana de Armas als Marilyn Monroe zu erleben, und auch der Mexikaner Alejandro G. Iñárritu zeigt auf dem Lido mit „Bardo“ einen neuen Film. Sind wirklich viele oscarträchtige Regisseure: Der Italiener Luca Guadagnino („Call Me by Your Name“) gibt sich mit „Bones and All“ die Ehre, und nicht zuletzt der Ire Martin McDonagh, dessen „Three Billboards …“ schon in Venedig lief, diesmal mit seinem vierten Spielfilm, „The Banshees of Inisherin“.
Alles Männer. An weiblichen Hollywoodstars fehlt es andererseits nicht, angefangen bei der Jurypräsidentin Julianne Moore. Auf der Leinwand spielt Cate Blanchett in Todd Fields Beitrag „Tár“, Greta Gerwig in Baumbachs „White Noise“, und die unermüdliche Tilda Swinton hat einen Part in „The Eternal Daughter“ der britischen Regisseurin Joanna Hogg, mit der Swinton eine langjährige Zusammenarbeit verbindet.
Regisseurinnen bilden im Wettbewerb eine sehr interessante Minderheit, hat doch die französische Dokumentarfilmerin Alice Diop ihr Spielfilmdebüt, „Saint Omer“, über das Mysterium der Mutterschaft beigesteuert. Gespannt sein kann man auch auf die Tragikomödie „Les enfants des autres“ ihrer französischen Kollegin Rebecca Zlotowski. Einen verdienten Ehrenlöwen fürs Lebenswerk erhält der französische Schauspielstar Catherine Deneuve.
Unter den Filmemachern aus dem Iran ist mit Jafar Panahi zudem einer der Regisseure im Wettbewerb, die im Juli der Verhaftungswelle im Land zum Opfer fielen. Mit „No Bears“ ist er zum zweiten Mal auf dem Lido zu Gast, wenn auch nicht persönlich. Für die Premiere am 9. September haben die Filmfestspiele einen „Flashmob“ angekündigt, mit dem sie die inhaftierten iranischen Regisseure unterstützen wollen.
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