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Aufstand in IranEin Rapper als Protestikone

Erst tauchte er unter, dann schnappte das Regime den Musiker Toomaj Salehi doch. Nun ist ein zweifelhaftes Reue-Video aufgetaucht.

Protest in Berlin anlässlich der Verhaftung des Rappers Toomaj im Iran Foto: M. Golejewski/AdoraPress

Berlin taz | Ein neues Video des regimekritischen iranischen Rappers Toomaj Salehi sorgt für Aufregung. In einem nur 10-sekündigen Clip zeigt der Rapper Reue über seine politischen Aktivitäten. Die Aufnahme wurde am Mittwoch von der dem staatlichen Rundfunk unterstellten Nachrichtenagentur YJC auf Twitter veröffentlicht und wenig später wieder gelöscht. Der 32-Jährige war am Wochenende festgenommen worden.

Toomaj ist zu einer der bekanntesten Figuren der aktuellen Proteste in Iran geworden – nicht nur wegen seiner Musikvideos, in denen er sich mit dem Aufstand solidarisiert, sondern auch, weil er immer wieder Videos postete, die ihn selbst bei Straßenprotesten zeigen.

Vier Tage vor seiner Verhaftung hatte Toomaj ein Video auf Twitter veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie er auf einer Straße laufend eine Menschenmenge anleitet und ruft: „Wir brauchen keine Schaulustigen. Schließt euch uns an.“ Am selben Tag veröffentlichte er ein weiteres Video, auf dem Protestierende rufen: „Dieses Jahr ist das Jahr des Bluts. Seyed Ali wird dieses Jahr gestürzt.“ Gemeint ist Ajatollah Ali Chamenei, der Oberste Führer der Islamischen Republik.

Wie der Musiker die Proteste unterstützte und sich selbst daran beteiligte, hat ihn unter den Protestierenden beliebt gemacht. Toomaj war einer der ­wenigen, die offen das Regime kritisierten und Demonstrationen organisierten. Dafür wird er nun als „Sohn Irans“ und „Sohn der Zukunft“ gefeiert, wie er sich in einem Video selbst genannt hatte.

Toomaj kritisierte bekannte Personen

Toomajs Engagement hat nicht erst mit den jetzigen Protesten angefangen. Schon im September 2021 war er in seiner Wohnung in Isfahan festgenommen worden. Wegen „Propaganda gegen das Regime“ und „Beleidigung des Obersten Führers“ wurde er zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

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Zur Last gelegt wurden ihm Lieder, die er in Erinnerung an die Proteste im November 2019 veröffentlicht hatte. Im Juli 2021 ging ein Musikvideo viral, in dem Toomaj alle bekannten Personen scharf kritisiert, die sich nicht klar gegen das islamische Regime stellten. Nach seiner vorläufigen Freilassung im September 2021 hörte er mit seiner Regimekritik nicht auf: Prompt folgte ein Stück gegen die Todesstrafe.

Mit dem Ausbruch der neuen Protestwelle infolge der Ermordung von Jina Mahsa Amini durch das Regime im September äußerte sich Toomaj immer expliziter. Ende des Monats dann tauchte er unter, veröffentlichte aber noch weitere zwei Musikvideos. Dass sich ein junger Musiker frei im Land bewegen konnte, Videos schickte und der massiven Festnahmewelle entkommen konnte, interpretierten seine Un­ter­stüt­ze­r*in­nen als Unfähigkeit des Unterdrückungsapparats.

Doch am vergangenen Sonntag wurde Toomaj in einem Dorf in der Provinz Chaharmahal und Bachtiari festgenommen. Staatliche Medien behaupteten zunächst, er sei bei einem illegalen Grenzübertritt erwischt worden. Später hieß es allerdings, Sicherheitskräfte hätten ihn im Schlaf gefangengenommen. Augenzeugen berichteten, siebzig Beamte seien an der Festnahme des Rappers beteiligt gewesen.

Das kurze Video von Toomajs vermeintlichem Geständnis hat seine Popularität nicht geschmälert. Im Gegenteil: Für die Opposition ist das Video ein weiterer Beweis für die Brutalität des Regimes in Teheran. Laut seiner Familie ist Toomaj in Untersuchungshaft gefoltert worden. Einige Twitter-User*innen äußerten zudem Zweifel, dass der Mann in dem Video tatsächlich Toomaj ist.

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