Aufstand der Theologen: Weg mit dem Zölibat!
Der Missbrauchsskandal hat die katholische Kirche in die Krise gestürzt. Nun fordern mehr als 150 TheologInnen "tief greifende Reformen", etwa Frauen als Priesterinnen.
BERLIN taz/dpa | Mehr als 150 katholische Theologinnen und Theologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz fordern in einem Memorandum "tief greifende Reformen" ihrer Kirche. Sie treten für die Abschaffung des Pflichtzölibats ein und dafür, dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden. Die Unterzeichner fordern auch mehr Mitsprache des Kirchenvolks.
Im Laufe des Freitags kamen weitere Unterzeichner des Memorandums mit dem Titel "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" dazu. "Wir haben uns diesen Erfolg erhofft, aber dass es nun so viele geworden sind ist doch überraschend", sagte die Münsteraner Religionspädagogin Judith Könemann, die zum Redaktionsteam der Erklärung gehört, der taz. Es sei offensichtlich, "dass das Timing passt", so Könemann. "Wir sehen ja gerade auch im Nahen Osten: Irgendwann ist die Zeit reif."
Der Ton des Memorandums ist an Klarheit kaum zu übertreffen. Dort heißt es, dass vergangene Jahr habe die katholische Kirche in eine "beispiellose Krise gestürzt". Verwiesen wird dabei vor allem auf das Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen durch Priester und Ordensleute.
"Als Theologieprofessorinnen und -professoren dürfen wir nicht länger schweigen", heißt es in dem Aufruf. "Wir sehen uns in der Verantwortung, zu einem echten Neuanfang beizutragen: 2011 muss ein Jahr des Aufbruchs für die Kirche werden."
Die Krise der Kirche erfordere es aber auch, Probleme anzugehen, die auf den ersten Blick nichts mit dem Missbrauchsskandel und seiner "jahrzehntelangen Vertuschung" zu tun hätten. Im vergangenen Jahr seien so viele Christen wie nie zu vor aus der katholischen Kirche ausgezogen. Die Kirche müsse diese Zeichen verstehen "und selbst aus verknöcherten Strukturen ausziehen".
Eine der zentralen Forderungen ist die Abschaffung des Pflichtzölibats. "Die Kirche braucht auch verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt", heißt es dort.
Auch in Bezug auf homosexuelle Partnerschaften und Geschiedene wird mehr Modernität gefordert. Die "Hochschätzung der Ehe und der ehelosen Lebensform" bedeute nicht, "Menschen auszuschließen, die Liebe, Treue und gegenseitige Sorge in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder als wiederverheiratete Geschiedene verantwortlich leben". Ein "selbstgerechter moralischer Rigorismus" stehe der Kirche nicht gut an, heißt es weiter.
Seit 1989 hat es nach Einschätzung von Experten keinen vergleichbaren Aufstand der Theologen mehr gegeben. Damals protestierten mehr als 220 Wissenschaftler in der "Kölner Erklärung" gegen den autoritären Führungsstil von Papst Johannes Paul II., der gegen alle Widerstände den erzkonservativen Kardinal Joachim Meisner zum Erzbischof von Köln gemacht hatte.
Die katholische Laienbewegung "Wir sind Kirche" appelierte am Freitag an die deutschen Bischöfe, die Rufe nach Reformen endlich aufzugreifen. "Es muss Schluss sein mit der Basta-Theologie", sagte Christian Weisner vom Bundesteam von "Wir sind Kirche".
Die deutsche Bischofskonferenz reagierte am Freitag zurückhaltend. Sie nannte die Erklärung einen Beitrag zur "Zukunft von Glauben und Kirche". In einer Reihe von Fragen stehe das Memorandum aber "in Spannung zu theologischen Überzeugungen und kirchlichen Festlegungen von hoher Verbindlichkeit".
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