: Aufsichtsräte auf dem Prüfstand
■ Nach dem Urteil zur Flughafenprivatisierung werden Aufsichtsratsposten von Politikern generell juristisch fragwürdig. Bausenator erwägt, auf Mandat bei Landesbank zu verzichten
Nach dem Flughafenurteil muss nun auch Bausenator Jürgen Klemann (CDU) prüfen, ob einer seiner Aufsichtsratsposten gerichtlich beanstandet werden könnte. Das Oberlandesgericht Brandenburg hatte die Vergabe des Flughafenausbaus an das Hochtief-Konsortium unter anderem wegen eines Doppelmandates von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) für rechtswidrig befunden. Bausenator Klemann prüft nun, ob er seinen Posten als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der Landesbank Berlin aufgeben muss. Die Landesbank bewirbt sich in einem Konsortium mit der West/LB um die Sanierung des Olympiastadions. Klemann entscheidet als Senator über die Auftragsvergabe.
Das Flughafenurteil bringt die Politik auch bundesweit in eine prekäre Lage: Das Urteil des OLG Brandenburg könnte zur Folge haben, dass Regierungspolitiker keine Aufsichtsratssitze in Unternehmen mit staatlicher Beteiligung wahrnehmen können. Zugleich sind Regierungen aber verpflichtet, Unternehmen mit staatlichen Beteiligungen wie beispielsweise die Bankgesellschaft Berlin über den Aufsichtsrat zu kontrollieren. Juristen der Senatskanzlei und der Bundesregierung analysieren derzeit unter Hochdruck den schriftlichen Gerichtsbeschluss, der seit Donnerstag vorliegt.
Die Brandenburger Finanzministerin Wilma Simon (SPD) erklärte in einem Interview, dass im Extremfall jede Kontrolle eines Staatsbetriebes durch Regierungsvertreter unmöglich gemacht werde. Denn auch eine Vertretung durch Staatssekretäre oder Beamten scheidet aus. Hinter vorgehaltener Hand wird dem Urteil daher „ein Hauch von Praxisferne“ vorgeworfen. Die öffentliche Hand werde quasi gezwungen, auf die Wahrnehmung ihrer vermögensrechtlichen Interessen zu verzichten.
Im aktuellen Fall hatte das Gericht beanstandet, dass Finanzsenatorin Fugmann-Heesing im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft Berlin sitzt, die zum Hochtief-Konsortium gehört. Dem Gericht genügte nicht, dass sich die Finanzsenatorin – auf Anraten der Senatskanzlei – im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft der Stimme enthalten hatte. Auch dem Gesellschaftergremium, das über die Auftragsvergabe entschied, gehörte sie bewusst nicht an.
Das Gericht befand jedoch schon ihre Teilnahme an denVorbereitungen für die Flughafenprivatisierung für problematisch. So hatte Fugmann-Heesing im Sommer 1998 an einer Nachtsitzung der Flughafenholding BBF teilgenommen, in der die Angebote der beiden Bieter ausgewertet worden waren. Sie war somit an der Meinungsbildung über die Angebote beteiligt, nicht aber an der späteren Entscheidung – eine Hilfskonstruktion, die das Gericht nicht überzeugte.
„Wir haben bisher noch keine Lösung, wie in Zukunft verfahren wird“, sagte gestern der Chef der Senatskanzlei, Volker Kähne. Bis zur Wiederaufnahme des Bieterverfahrens für die Flughafenprivatisierung müsse aber ein Ausweg gefunden werden. Wie der stellvertretende Senatssprecher Eduard Heußen erläuterte, prüft die Senatskanzlei gegenwärtig eine Feststellungsklage, um sich gerichtlich bestätigen zu lassen, dass der Senat die Aufsicht über öffentliche Beteiligungen wahrzunehmen hat. Denkbar wäre auch die Änderung des Vergabegesetzes. Dies müsse auf Bundesebene geprüft werden. Dorothee Winden
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