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Aufs falsche Pferd gesetzt

Berlin (taz) - Als die taz vor fünf Monaten die dubiosen Praktiken deutscher Parteienstiftungen in Ecuador enthüllte, gab es in den bundesdeuschen Medien lange Zeit keine Resonanz. Niemand wollte sich darüber aufregen, daß mit Entwicklungshilfegeldern indirekte Parteienfinanzierung betrieben wurde, daß in internen Stiftungspapieren, die der taz vorliegen, von „Phantasieberichten“ an die Bundesregierung die Rede war. Dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit - so ein internes Papier der Hanns Seidel Stiftung über ein Projekt der CDU–nahen Adenauer Stiftung - wurden „Berichte vorgelegt, die mit der Arbeit und den wahren Verhältnissen nicht einmal vage etwas zu tun hatten“. Erst als die taz–Veröffentlichung - nachgedruckt von der ecuadorianischen „Quick“ namens „Vistazo“ - zu diplomatischen Hakeleien zwischen den beiden Regierungen führte, begannen auch die Nachrichtenagenturen, sich für den Skandal zu interessieren. Die Lawine kam ins Rollen, als vor zwei Wochen Ecuadors Regierung fünf der Christdemokratie nahestehende und aus der BRD finanzierte Stiftungen polizeilich durchsuchen und unter Zwangsverwaltung stellen ließ. Zwei von ihnen wurden geschlossen. Bonn fordert Rücknahme der Maßnahmen Bisheriger Höhepunkt des diplomatischen Schlagabtauschs war am vergangenen Freitag ein förmlicher Protest von Staatssekretär Jürgen Ruhfus im Auswärtigen Amt, der Ecuadors Botschafter Julio Moreno zu sich zitierte: Er forderte dessen Regierung auf, die Maßnahmen „umgehend“ zurückzunehmen. Sie beeinträchtigten die Beziehungen zwischen beiden Ländern. Doch Ecuadors Außenminister Rafael Garcia gab so schnell nicht nach: Die Stiftungen genießen - trotz ihrer Verträge mit der Regierung - keine diplomatische Immunität. Man werde also an den Maßnahmen festhalten, auch die Überprüfung ihrer Steuerzahlungen fortsetzen. Am Dienstag vergangener Woche schon hatte Sozialminister Rigail vor der versammelten Presse mehere Schecks präsentiert, aus denen hervorgeht, daß die beiden geschlossenen Stiftungen über Scheinfirmen der christdemokratischen Partei Gelder zukommen ließen. Ecuador - so der Minister - könne diesen „Anschlag auf seine nationale Souveränität“ nicht dulden. Offiziell geht es bei den deutschen Entwicklungshilfegeldern natürlich immer um „Projekte gesellschaftspolitischer Bildungsarbeit und Sozialstrukturhilfe“. So läuft das Projekt der Hanns Seidel Stiftung in Ecuador (Nummer im Bundeshaushalt: G 8428740) unter dem Titel „Managementausbildung“. Doch kaum war es im Sommer 1984 angelaufen, kündigte die Seidel Stiftung im Oktober den Vertrag mit der ecuadorianischen Stiftung FEEH wieder. Angeblich, weil man jetzt die enge personelle Verflechtung mit der christdemokratischen Partei entdeckt hatte - und Parteienfinanzierung ist schließlich unzulässig. Tatsächlich waren alle Gründungsmitglieder der FEEH–Stiftung führende Christdemokraten, und der Geschäftsführende Direktor der finanzierten Stiftung hieß Jamil Mahauad, seines Zeichens Oppositionsführer der Christdemokraten. Trotzdem hatte die Kündigung des Vertrages einen ganz anderen Grund. Die Seidel Stiftung hatte aufs falsche Pferd gesetzt, die Christdemokraten verloren die Wahl und damit die Präsidentschaft. Als der damalige Entwicklungshilfeminister Warnke (CSU) dem neuen Präsidenten Leon Febres Cordero im Oktober 1984 seine Aufwartung machte, regte er nach einem internen Seidel–Bericht an, endlich Konsequenzen zu ziehen: „Er (Warnke, die Red.) hat sich verwundert darüber gezeigt, daß die HSS nicht mit der Regierung, einer Regierungspartei oder regierungsnahen Institutionen zusammenarbeitet und will hierüber das Gespräch mit der Zentrale (der Seidel Stiftung, d.R.) suchen.“ Warnke interveniert Dem bisherigen Projektpartner, der christdemokratischen Stiftung FEEH, war daraufhin kein langes Leben beschieden. Sie versuchte noch, über einen Freiburger Rechtsanwalt von der Seidel Stiftung eine Ablösesumme von 500.000 DM herauszuschlagen. Als das nicht gelang, löste sie sich im März 1985 wieder auf - „aus Geldmangel“, wie ihr Geschäftsführer Jamil Mahauad mitteilte. Daß die Gelder, die sie aus dem Bundeshaushalt über die Seidel Stiftung erhalten hat (offiziell: 81.909 DM), nicht in ordentliche akademische Aktivitäten geflossen sind, belegt ein Brief der Seidel Stiftung (9.1.85) an FEEH– Chef Mahauad, in dem es heißt: „Die uns vorgelegten Seminarabrechnungen haben wir bislang nur mit größten Bedenken akzeptiert. Wir würden eine weite gab die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen bekannt. Und Staatssekretär Volkmar Köhler aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit beschränkte sich auf ein plattes Dementi: „Der Vorwurf der Parteienfinanzierung aus Bundesmitteln ist völlig unbegründet und wird entschieden zurückgewiesen.“ Den Schwarzen Peter versuchte er dann gleich wieder den emsig insistierenden Grünen zuzuschieben: „Mit ihrer öffentlich geführten Kampagne schaden die Grünen dem von deutschen politischen Stiftungen durch Bildungsarbeit und Sozialstrukturhilfe geförderten Aufbau demokratischer Strukturen in Partnerländern.“ Offen ist noch, was aus der Arbeit der bundesdeutschen Parteienstiftungen in Ecuador wird. Noch arbeitet die Adenauer Stiftung mit Organisationen der oppositionellen Christdemokraten zusammen, die Seidel Stiftung finanziert entsprechend dem Wunsch Warnkes Projekte regierungsnaher Institutionen. Aus dem Umkreis des Präsdenten Febres Cordero ist zu hören, er wolle die Stiftungen nicht des Landes verweisen - schließlich geriete dann die bundesdeutsche Regierungshife für Ecuador insgesamt in Gefahr - 1984 waren es immerhin 61,8 Millionen Mark. Wahrscheinlich ist, daß staatspräsident Febres Cordero den Konflikt bald niedriger hängen wird - dann, wenn die Parteienfinanzierung als Wahlkampfthema ihre Schuldigkeit getan hat. Michael Rediske

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