: Aufruhr in Pops Wunderwelt
■ Initiative „Hörsturz“ will für Qualität und Vielfalt vor allem im neuen Radio-Bremen-Kulturprogramm „NordWest-Radio“ kämpfen
Vor anderthalb Jahren haben die LänderministerpräsidentInnen den kleinen ARD-Sendern tief in die Kasse gegriffen, doch erst jetzt regt sich der Protest gegen die möglichen Konsequenzen. „Wir sind die Gebührenzahler, und wir fordern, dass Vielfalt und Niveau bei Radio Bremen erhalten bleiben“, sagt Regina Dietzold, die zusammen mit anderen Radio-Bremen-Fans vor wenigen Monaten frei nach dem Vorbild der Kulturinitiative „Anstoß“ die Gruppe „Hörsturz“ gegründet hat. In Brieffluten an die Senderleitung oder an den Rundfunkrat kämpft diese zurzeit aus rund 40 Aktiven bestehende Initiative seitdem gegen den befürchteten Niveauverlust und Formatierung vor allem im NordWest-Radio, dem Nachfolgeprogramm der Kulturwelle Radio Bremen 2 (RB2), das ab September auf Sendung gehen soll.
„Wir erwarten, dass der Sender uns als zahlende Kunden wahrnimmt“, forderte Dietzold gestern während einer Pressekonferenz. Das hat er bislang offenbar nicht getan. „Beschwichtigende bis lapidare Reaktionen“ waren nach Angaben des „Hörsturz“-Mitgründers und Geschäftsführers im Bürgerhaus Weserterrassen, Rolf Baginski, die Folge der Briefaktion um Weihnachten. Auch im Gästebuch auf der Internetseite www.radio-bremen.de hagelt es Beschwerden über die angekündigte Programmreform und die ausbleibende Resonanz von Seiten des Senders. Die offenbar gut organisierten Fans der Sendung „Pops tönende Wunderwelt“ befürchten, dass diese kleine Perle im neuen formatierten Radio „BremenEins“ ab Mai keinen Platz mehr hat. „Doch da“, sagt RB-Sprecher Gerald Sammet, „ist noch gar keine Entscheidung gefallen.“
Die Verantwortlichen im Sender reagieren mit gemischten Gefühlen auf den wachsenden Unmut über die Etatkürzungen und ihre Konsequenzen. „Etwas früher“ hätten sich Intendant Heinz Glässgen und vor allem die Rundfunkratsvorsitzende Roswitha Erlenwein den Protest gewünscht. Früher heißt: Vor der Entscheidung der MinisterpräsidentInnen, dem Bremer Minisender bis zum Jahr 2005 rund 50 Millionen Mark oder mehr als ein Viertel des Etats zu kürzen. Nur eine kleine Gruppe von GewerkschafterInnen versuchte damals, sich bemerkbar zu machen.
Von der Etatkürzung bei Radio Bremen, dem Saarländischen Rundfunk und dem Sender Freies Berlin werden die GebührenzahlerInnen nicht profitieren. Im Gegenteil: In dieser Woche geißelte die Financial Times Deutschland (FTD) in einer so genannten Kolumne teure neue ARD-Projekte wie den „überflüssigen“ Kinderkanal oder Phoenix. Die FTD fragte sich auch, warum sich RB einen eigenen Klassikkanal leiste – und hat das Kulturprogramm wohl nie gehört.
Die Journale, Musiksendungen wie Square Music Square, die Hörspiele und andere Radio-Innovationen früherer Jahre halten die „Hörsturz“-AktivistInnen noch immer für hörenswert und unverzichtbar. Deshalb ist ihr Protest gegen die ihrer Ansicht nach drohende Programmverflachung nunmal jetzt in der Welt und soll nach den Plänen der Initiative auch weiter anschwellen. Am 13. März um 17 Uhr wollen die „Wunderwelt“-Fans auf dem Marktplatz ein „Pop In“ veranstalten, am 16. März um 19.30 Uhr plant „Hörsturz“ in den Weserterrassen einen Benefizabend unter anderem mit Bremer MusikerInnen, die eine Streichung von Konzertmitschnitten und RB-Festivals befürchten. Die gestrige „Hörsturz“-Pressekonferenz wurde von RB nicht besetzt. „Das wäre auch etwas heikel“, sagt RB-Sprecher Sammet. ck
Hörsturz trifft sich montags um 18.30 Uhr im Bürgerhaus Weserterrassen.
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