Aufruf bayerischer Kleinverleger: Schutz vor kultureller Demenz

In Zeiten des Rechtsrucks müssen gerade kleine Verlage gefördert werden. Es braucht Geschichten von und über Menschen anderer Klassen und Herkunft.

Lesen erweitert den Horizont, den Stoff dafür sollen die unabhängigen Verlage liefern Foto: Boris Roessler/dpa

Wenn ein Gehirn nur das denkt, was die Mehrheit denkt, dann braucht es dafür kein Hirnschmalz. Weil: es denkt nix Neues. Wenn Verlage nur Bücher publizieren, weil sie bulimisch gekauft und gelesen werden, dann kotzt die Gesellschaft meist auch nichts Wegweisendes aus, außer die fade Brotzeit von gestern. Was den blauen Rechtsextremen im Bayerischen Landtag ganz recht sein dürfte. Denn dann geht es noch rasanter zurück in die „guade oide Zeit“, vielleicht noch weiter als nur in die 50er Jahre, wo die meisten bei Strauß noch nicht oder gerade an einen Vogel gedacht haben.

Der Hinweis des Verlegers Manfred Rothenberger zur unzeitgemäßen Kulturpolitik der Staatsregierung ist darum auch so treffend wie notwendig. Es sind die unabhängigen Verlage, nicht nur, aber gerade auch die in Bayern, die derzeit von eminenter Bedeutung und zugleich bedroht sind. Denn der Literaturbetrieb ist einer immer stärkeren Ökonomisierung unterworfen.

Bücher bilden das kulturelle Gedächtnis dieser Gesellschaft mit, sorgen für Identifikation und Empathie mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Lebenswelten. Wenn aber in Büchern eindimensionale Figuren und triviale Handlungen vorherrschen, bringt das keinen Erkenntnisgewinn. Und was die deutsche Gesellschaft gerade in Zeiten von Rechtsruck und sozialer Ungleichheit braucht, sind Geschichten von und über Menschen anderer Klassen und Herkunft, mit denen sie im Alltag keinen Kontakt haben.

Gerade für angehende AutorInnen, aber auch manch etablierte SchriftstellerInnen ist es zudem schwierig, Literatur veröffentlichen zu können, wenn die nicht zur Gewinnmaximierung der Buchkonzerne beiträgt. Da auch unabhängige Verlage überleben müssen, ist eine angemessene, staatliche Förderung und damit auch die Förderung von AutorInnen und deren weltläufiger Literatur unabdingbar. Denn sonst heißt es, frei nach Franz Josef Strauß: „Ich bin der, der ich war, und bleibe der, der ich bin.“ Und wer will das schon. Erinnert es doch sehr an kulturelle Demenz.

Comments

[Ruediger]

Eigentlich sind Verlage heutzutage überflüssig. Bücher müssen nicht mehr gedruckt werden, sie müssen nur ins Netz gestellt werden. Die Investitionen in Druck, Papier, Auslieferung, betüdeln des Buchhandels etc. werden obsolet, Verlage verbleiben allenfalls als Marketingagenturen. Letztlich machen - auch in Kleinverlgen - Lektoren nichts anderes, als den Marktwert eines Buches einzuschätzen. Das kann vielleicht sogar die Schwarmintelligenz besser, als abgehobene Lektoren - auch was qualitötiv hochwertige Literatur betrifft. Jedenfalls sind die Kosten viel geringer, als im Buchdruck-Zeitalter, der Ruf nach Subventionen daher unangebracht.

[M. Rothenberger]

@Ruediger:

Aha, sehr schlau, interessante Erkenntnis, ich hoffe, Sie sind so konsequent und wenden diese auch in anderen Lebensbereichen an:



Essen also lieber Astronautennahrung statt einem wohlriechenden Essen.



Ignorieren ein gutes Glas Wein und lassen sich die benötigte Flüssigkeit lieber intravenös zuführen.



Und praktizieren Cybersex, weil die intime Begegnung mit einem anderen menschlichen Körper schon längst »obsolet« ist.



Glückwunsch, damit sind Sie den meisten Ihrer Mitmenschen wirklich einen großen Schritt voraus.



Nur bei der Schwarmintelligenz wäre ich vorsichtig: Kafka hat zu Lebzeiten weltweit nur ein paar Tausend Bücher verkauft – da hat die Schwarmintelligenz irgendwie versagt.