Aufregung um Skulptur "Petra": Wie pinkelt die Polizei?
In Dresden gibt es Aufregung um die preisgekrönte Polizistinnen-Skulptur "Petra". Was soll daran eigentlich so ehrenrührig sein? Frauen hocken sich hin – na und?
In einem Ausstellungsraum der Kunsthochschule Dresden sieht man derzeit eine Polizistin in voller Kampfmontur am Boden hocken und pinkeln. Damit das kostbare Parkett keinen Schaden nimmt, ist die Pfütze, die sie hinterlässt, aus Gelatine - so wie die Polizistin aus Silikon und Stahl konstruiert wurde. Schließlich handelt es sich bei ihr nicht um eine lebende Person, sondern eine Skulptur des 27jähringen Hochschulabsolventen Marcel Walldorf.
Nicht allen gefällt sein Kunstwerk so gut wie der Hamburger Leinemannstiftung, die es mit einem Nachwuchspreis auszeichnete. "Petra", so heißt die pinkelnde Polizistin, kam auf den mit 1.000 Euro dotierten dritten Platz.
Die Staatsmacht mit heruntergelassenen Hosen, das gibt ihren Repräsentanten wie etwa Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), aber auch der Gewerkschaft der Polizei, Anlass zu allerlei ehrpusseligen Reaktionen und Anschuldigungen, wobei man sich ganz platt als der große Frauenrechtler aufspielt, der Diskriminierung erkennt und Verletzung der Menschenwürde.
Nun ja, kann schon sein, wenn man nicht die Skulptur betrachtet, sondern der Frage nachgeht, die sich dem Künstler stellte. Denn wie er der Sächsischen Zeitung erklärte, wohnt einer seiner Kumpels an einem Park, wo sich Polizeitrupps bei Einsätzen sammeln. Vom Fenster des Freundes aus konnte er beobachten, wie die Polizisten in den Büschen ihr Geschäft verrichteten: "Beim Anblick der Männer habe ich mich gefragt, was die Frauen in dieser Notlage tun - noch dazu in ihrem Kampfanzug."
Wie halten es denn das Innenministerium und die Gewerkschaft der Polizei in Sachsen in dieser Frage? Zwingen sie ihre Polizistinnen, es so zu halten, wie "Petra" es tut? "Weil es keine andere Möglichkeit gibt", wie die Gewerkschaft der Polizei fälschlicherweise behauptet.
Ansonsten, ja, Frauen hocken sich zum Pinkeln hin. Na und. Was soll daran ehrrühriger sein als im Stehen zu pinkeln? Zweifellos ist es unbequemer und mühseliger. Und genau deshalb ist es, wie so oft in der Kunst, die interessantere Körpergeste. Tatsächlich wirkt die Firgur der so martialisch aufgezäumten, hockenden "Petra" in sich viel zu paradox, als dass man in ihr ganz platt die bloßgestellte Staatsmacht erkennen könnte.
Insofern hat sie ihren eigenen ästhetisch-gedanklichen Reiz, auch wenn sie etwas zu sehr im Fahrwasser von Maurizio Cattelans regelmäßig Skandal verursachenden, anekdotischen Kleinplastiken schwimmt, wie etwa dem vom Meteoriten getroffenen Papst Johannes Paul II.
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