Aufregung nach Zwick-Film "Defiance": Die Geschichte der Bielski-Brüder
Edward Zwicks Film "Defiance" über die Bielski-Brüder sorgt in Polen für Diskussionen. Wie soll man mit jüdischen Partisanen umgehen, die auch Polen getötet haben?
Mit Filmen wie "Schindlers Liste" oder "Der Pianist" wurden Menschen berühmt, die zu Lebzeiten kaum jemand kannte. Der Fabrikant Oskar Schindler und der Wehrmachtsoffizier Wim Hosenfeld retteten Juden vor der sicheren Vernichtung im deutsch besetzten Polen 1939-1945. Jetzt kommt mit "Defiance" von Edward Zwick ein Film in die Kinos, der den Bielski-Brüdern und ihrer jüdische Partisanengruppe gewidmet ist. Er spielt in Ostpolen, dem heutigen Weißrussland, und beruht ebenfalls auf einer wahren Geschichte. Tuvia Bielski und seine drei jüngeren Brüder retteten über 1.200 polnische Juden vor dem Tod. Die jüdische Partisaneneinheit kämpfte mit der Waffe in der Hand gegen Nazis und ihre Kollaborateure. Ihre Siedlung im Wald, der auch für die Wehrmacht mit ihren Spürhunden undurchdringlich war, hieß schon bald das "Jerusalem der Partisanen".
Polens Medien schlugen schon Alarm, bevor überhaupt die Dreharbeiten begannen. "Defiance" (auf Polnisch "Widerstand") werde ein Heldenfilm sein. Darauf deute schon die Besetzung der Hauptrolle mit dem James-Bond-Darsteller Daniel Craig hin. Dabei sei Tuvia Bielski doch ein Bandit gewesen. Sicher komme den Bielski-Brüdern das Verdienst zu, im Zweiten Weltkrieg 1.200 Juden das Leben gerettet zu haben. Doch "Helden" seien sie deshalb noch lange nicht. Die jüdische Partisaneneinheit habe im Mai 1943 das Dorf Naliboki überfallen und 128 unschuldige Polen ermordet. Der Film werde das Massaker sicher nicht zeigen, sondern nur wieder irgendwelche Verräter-Polen, die Juden den Nazis ans Messer geliefert hätten. Man müsse sich auf ein antipolnisches Machwerk gefasst machen.
Als "Defiance" vor wenigen Wochen in die polnischen Kinos kam, legte sich die Empörung wieder. Denn obwohl der Film in Ostpolen spielt, kommen Polen darin gar nicht vor, weder als Nachbarn noch als Opfer oder Täter. Im Mittelpunkt stehen vielmehr Juden, die sich 1941 nicht "wie Schafe zur Schlachtbank" treiben lassen wollten, wie es einmal Hannah Arendt ausdrückte, sondern mit der Waffe in der Hand Widerstand leisteten. Die einen taten dies im direkten Kampf mit den Deutschen und deren Kollaborateuren, die anderen, indem sie möglichst vielen Juden das Überleben in einem Waldlager ermöglichten. Vor allem Letzteres taten die Brüder Tuvia, Zus, Asael und Aaron von 1941 bis 1945.
Zunächst waren die Brüder nur mit einigen Familienangehörigen und Freunden in die undurchdringlichen Wälder Ostpolens geflohen. Sie wollten weder die gelben Judensterne tragen noch ins Ghetto gesperrt oder zur Zwangsarbeit abtransportiert werden. An ein Versteck bei polnischen und weißrussischen Nachbarn war nicht zu denken. Im Gegenteil: dort drohte Verrat und damit der sichere Tod. 1942 war die Gruppe bereits auf 200 angewachsen, im Sommer 1943 auf 600. Kurz darauf holten Tuvia Bielski und seine Leute hunderte Juden aus dem Ghetto in Nowogrodek und brachten sie in das "neue Jerusalem".
Dort gab es Holzhäuser, Ställe, Vorratskammern, eine Bäckerei und Großküche, eine Schule für 50 Kinder, eine Synagoge, ein Krankenrevier, einen Arrest, ein Badehaus und sogar ein Theater. Außerdem zahlreiche Werkstätten. Denn die Bielski-Einheit mit den vielen Frauen und Kindern war keine reguläre Partisaneneinheit, die den Kampf mit den deutschen Besatzern suchte. Sie unterstellte sich dem Schutz der sowjetischen Partisanen und versorgte diese mit Lebensmitteln, Kleidung, Schuhen und instandgesetzten Waffen.
Doch nicht nur der Film selbst zerstreute die Befürchtungen vieler Polen. Ein langer Essay von Zeithistorikern in der Tageszeitung Gazeta Wyborcza räumte endgültig mit der Mär vom jüdischen Massaker in Naliboki auf. Nicht die Bielski-Einheit hatte am 8. Mai 1943 das polnische Dorf überfallen, sondern drei sowjetische Partisanen-Abteilungen der ebenfalls in den Wäldern stationierten Stalin-Brigade. Dies gehe aus Dokumenten hervor, die im Nationalarchiv Weißrusslands in Minsk lägen und den Fachhistorikern schon seit längerem bekannt seien. So lobte der sowjetische General Wassili Tschernyschow in einem Befehl vom 10. Mai 1943 den "überraschenden Angriff auf die deutsche Garnison der Selbstverteidigung in der Ortschaft Naliboki" und brüstete sich damit, dass seine Leute "200 Angehörige der Selbstverteidigung getötet" sowie Maschinengewehre, Granatwerfer, Patronen, Minen und Handgranaten gefunden, etliche Gebäude niedergebrannt und "bis zu 100 Kühe und 70 Pferde erbeutet" hätten. Von jüdischen Partisanen ist keine Rede.
Auch in einer späteren Zusammenstellung der "Kampf- und Sabotageakte" der Stalin-Brigade fehlt jeder Hinweis auf eine Beteiligung der Bielski-Partisanen an dem Massaker. Bei den Ermordeten handelte es sich, anders als der General geschrieben hatte, nicht um eine "deutsche Garnison", sondern um Polen, die von den Deutschen mit Waffen für den Kampf gegen sowjetische Partisanen ausgerüstet worden waren. In den "Selbstverteidigungs"-Stützpunkten fanden oft Widerstandskämpfer der polnischen Heimatarmee Unterschlupf, die ihre Befehle von der Exilregierung aus London empfingen. In den Augen der jüdischen wie sowjetischen Partisanen in Ostpolen waren diese Polen Nazi-Kollaborateure, da sie von den Deutschen Waffen und Munition für ihren Kampf gegen die Rote Armee und sowjetische Partisanen erhielten.
Nach diesem Artikel verschwanden Schlagzeilen wie "Helden oder Mörder", "Die (un)wahre Geschichte der Bielski-Brüder" oder "Geschichte - unter den Teppich gekehrt" aus der polnischen Presse. Doch den Heldenstatus wollte man den jüdischen Partisanen dennoch nicht zugestehen. Sie hätten vor allem Raubzüge in die Umgebung unternommen, immer wieder unschuldige polnische und weißrussische Bauern überfallen, um sich mit Lebensmitteln einzudecken. Im Lager habe eine lockere Moral geherrscht. Männer hätten sich "Waldfrauen" genommen, unmäßig gegessen und getrunken. Tuvia Bielski habe sich gar einen ganzen "Harem schöner Frauen" gehalten.
Zu erklären sind diese Vorwürfe gegenüber Menschen, die in permanenter Todesgefahr und Angst lebten, nur mit Polens schon vor Jahren zusammengebrochenem Geschichtsbild als "Helden und Opfer der Geschichte". Nach den Debatten um die Pogrome in Jedwabne 1941 und Kielce 1946 wollten die Kaczynski-Brüder zwar das Rad der Geschichte noch einmal zurückdrehen, die Debatten ungeschehen machen und den "Helden- und Opfermythos" wiederbeleben. Doch er ist endgültig zerstört. So sind die Polen heute auf der Suche nach einer neuen Identität und
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