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Aufnahmeprogramm AfghanistanGründlich durchleuchtet

Carsten Linnemann behauptet, schutzbedürftige Personen aus Afghanistan seien nicht sicherheitsüberprüft. Eine Anfrage zeigt: So einfach ist es nicht.

Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, will hart durchgreifen Foto: imago

Berlin taz | Von einer Migrationswende hat die Union im Wahlkampf immer wieder gesprochen. Teil dieser Wende soll auch sein, das Afghanistan-Aufnahmeprogramm zu beenden. Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, äußerte sich in einem Welt-TV Interview empört, dass die geschäftsführende Regierung Menschen aus Afghanistan ausfliegen möchte, bevor Friedrich Merz Kanzler wird: „Ich habe gesehen, dass die Flieger, die nach Deutschland kommen, zum Teil nicht einmal sicherheitsüberprüft sind. Das geht gar nicht!“, sagte er.

Mit dieser Aussage insinuiert Linnemann, dass es keine ausreichenden Sicherheitsüberprüfungen gäbe. Es schwingt der Vorwurf mit, die Bundesregierung würde fahrlässig mit Einreisen aus Afghanistan umgehen. Dass es so simpel nicht ist, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Linksfraktion.

Die Linken-Politikerin Charlotte Neuhäuser hatte gefragt, wie viele der über das Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland evakuierten Menschen sicherheitsüberprüft wurden, und ob es Erkenntnisse über Fälle gebe, in denen dies nicht geschah. Die Antwort des Bundesinnenministeriums liegt der taz vor. Darin heißt es: „Die Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen aller Aufnahmeverfahren aus Afghanistan umfas­sen einen automatisierten Datenabgleich mit den Datenbanken der Sicherheitsbehörden nach § 73 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) als Teil des regulären Visumverfahrens.“

Zusätzlich zu zum Datenabgleich erfolge seit Mitte Juni 2023 eine persönliche Befragung der Personen durch die deutschen Sicher­heitsbehörden. Bei diesen „Sicherheitsinterviews“ würden grundsätzlich nur Personen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren berücksichtigt, teilt das Ministerium weiter mit.

Linnemann, der Vertraute des künftigen Kanzlers Friedrich Merz, erwecke „wahrheitswidrig“ den Eindruck, „afghanische Geflüchtete seien per se eine Gefahr für die Sicherheit der Menschen in Deutschland“, kritisiert Neuhäuser. „Alle sicherheitsrelevanten Einreisenden wurden aber hochprofessionell und nach bestem Standard durch deutsche Sicherheitsbehörden durchleuchtet.“ Menschen unter 16 und über 65 Jahren würden zwar nicht in Sicherheitsinterviews überprüft, durchliefen aber die Visa-Sicherheitsüberprüfung anhand von Datenbanken der Sicherheitsbehörden.

„Linnemann verkauft die Öffentlichkeit für dumm, wenn er behauptet, Minderjährige oder Rentnerinnen seien eine Gefahr für die deutsche Bevölkerung. Oder will er Sicherheitsbehörden vorwerfen, sie verstünden nichts von ihrer Arbeit?“, so Neuhäuser. Damit spalte er sowohl die Gesellschaft wie auch seine eigene Partei, wo „ausgewiesene Sicherheitskenner“ wie zuletzt Roderich Kiesewetter die Fortsetzung des Aufnahmeprogramms forderten.

Das Bundesaufnahmeprogramm wurde von der Ampel-Regierung ins Leben gerufen, um besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan, zum Beispiel Aktivist:innen, Frauen und queere Personen, in Sicherheit zu bringen. Stand Ende März wurden allerdings gerade mal 1.262 besonders gefährdete Menschen aufgenommen, mehr als 1.500 befanden sich mit einer Aufnahmezusage noch in Pakistan.

Auf der Homepage des Bundesinnenministeriums heißt es, dass ursprünglich 45.000 Menschen aufgenommen werden sollten. Ob es nach dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung weitere Charterflüge geben wird, ist fraglich.

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7 Kommentare

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  • Das Problem ist doch das "nach bestem Wissen und Gewissen". Nach Presseberichten gab es noch kurz vor dem Abflug teilweise Stornierungen und auch kurz nach der Ankunft Festnahmen, wegen falscher Identitäten. Die "Sicherheitsinterviews" waren dann wohl doch nicht so sicher.

    Ferner stand das Programm stets unter der Bedingung der Aufnahmekapazität und -Bereitschaft und das ist wohl nicht mehr gegeben.

  • Einen bestimmten "Schwarzen" mit Paderbornhintergrund würde ich gerade dann doch nach Afghanistan abschieben wollen. Populismus sollte bei selbsternannten Christen gewisse Grenzen kennen, wenigstens nach dem Wahlkampf. Sonst verspahnt und verblaut sich der Knabe ins Unerträgliche.

  • Seine Durchleucht, der Generalsekretär.

  • Ob das mit den 45.000 Aufzunehmenden nächste Woche noch auf der Seite des Innenministerium steht, sobald Dobrindt übernommen hat?

  • Warum sollte Linnemann die Antwort einer Bundesregierung (egal ob seine Partei der angehört) auf eine Anfrage der Linken lesen? Und warum sollte Linnemann sich dafür interessieren oder gar wissen, was das Auswärtige Amt wann und wo macht? Der Mann ist (und bleibt) Generalsekretär, der muß nur seine Partei ins rechte Licht rücken. Ab Dienstag wird er sich dafür andere Themen suchen müssen, denn dann ist ein Parteigenosse Außenminister (hoffentlich sagt's ihm jemand). Sonst kriegt er Ärger.

  • Stimmt: So einfach ist es nicht.



    Die Sicherheitsbehörden haben die Leute tatsächlich (so gut wie möglich) überprüft, aber das Auswärtige Amt hat sich in diversen Fällen nicht an die dieses Urteil gehalten. So kommt es dann eben, dass Leute in letzter Minute vom Flug ausgeschlossen werden. Vertrauenserweckend geht anders.

    • @Hector Savage:

      Genau Genau

      Auf letzteres wollte der Mineralsekretär der



      CChoch2 doch ganz uneigennützig nur hingewiesen haben! Woll



      Wie sein Flacheisen canditus “Herr Lehrer!



      Im Keller brennt 💡 Ich hab’s ausgemacht!“



      Profilneurotisch verständlich - zumal er sich grad als kleinMerz mit ausgemachtem Mäkeln im Gespräch zu halten! Woll



      “Paderborn - Ich krieg‘n Horn!“



      m Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD nach der Bundestagswahl 2025 galt Linnemann ursprünglich als sicherer Minister in einer von Friedrich Merz gebildeten Bundesregierung, mit den möglichen Ressorts Arbeit und Soziales oder Wirtschaft, gab aber am 15. April bekannt, keinen Kabinettsposten bekleiden und stattdessen Generalsekretär der CDU bleiben zu wollen.[23] Seine Absage wurde vielfach als Signal der Unzufriedenheit mit dem ausgehandelten Koalitionsvertrag und „Misstrauensvotum“ gegen die schwarz-rote Regierung gewertet.“



      &



      Dess merke sich Sie!



      Ehrgeizlinge - schießen sich gern ins Knie •

      Na Mahlzeit

      de.wikipedia.org/wiki/Carsten_Linnemann