Kommentar: Aufgerundet
■ Beim Kuhbier-Handel ist vielleicht gar alles mit rechten Dingen zugegangen
Ein Runde kommt selten allein, auch wenn er Ortwin heißt. So sehr man auch darüber frohlocken mag, daß zum ersten Mal in der Hamburger Nachkriegsgeschichte ein linker Sozialdemokrat Bürgermeister wird, so genau muß man sich ansehen, wer dem Kuhbier-Handel zugestimmt hat. Die Rechten haben Runde nicht wegen seiner cha-rismatischen Persönlichkeit, seiner mitreißenden Reden oder der plötzlichen Einsicht, daß Rot-Grün nicht den Untergang des hanseatischen Abendlandes nach sich zieht, durchgewunken. Sie wollen für die Duldung eines Linken in Amt und Würden bezahlt werden.
Seine helle Freude hat man hingegen an den ängstlichen Kommentaren und bösen Vorahnungen der konservativen Presse. Wo man sich doch so an Henning Voscherau gewöhnt hatte! Wo er doch gerade dabei war, hanseatischen Glanz in Bonner Regierungsstuben zu bringen! Wo endlich mal wieder ein Hamburger von sich reden machte! Bittere Tränen tropften aus Leitartikeln.
Auf einen echten Neuanfang in der SPD zu hoffen, hieße aber, voreilig aufzurunden. Immerhin aber dürfte ein Stimmungswechsel dafür sorgen, daß der Obrigkeitsstaat wieder in Heinrich Manns „Der Untertan“eine letzte Ruhestätte findet und nicht durch die Hamburger Politik geistert.
Noch-Finanzsenator Runde gehört zu denen, die „getürkt“für ein Unwort halten. Migranten zum kriminellen Problem zu erklären, käme ihm nicht in den Sinn. Und auch für solch kleine Wahlgeschenke muß man dankbar sein. Gerade in schwierigen Zeiten. Silke Mertins
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen