■ H.G. Hollein: Aufblick
Die Frau, mit der ich lebe, lebt in den Niederungen dieser Welt. Buchstäblich. Die Gefährtin wird nun einmal von der Vorstellung gequält, im Schatten der heranwachsenden Generation zu verkümmern. Tatsächlich ist es ja auch so, dass die postpubertären Köpfe der Kinder von Kollegen und Freunden in der luftigen Höhe um 1,90 Meter pendeln, derweil das Haupt der Gefährtin an der Oberkante napoleonische 1,58 aufweist. Deshalb hört sie es nun mal nicht gern, wenn im Gedränge einer Vernissage plötzlich eine wohlmeinende Seele ruft: „Lassen Sie doch mal das Kind nach vorne.“ Da hebt es das Selbstbewusstsein auch nicht, dass ich bei der Verabschiedung zweier Hunde, die am vergangenen Wochenende bei uns zu Besuch weilten, neben den beiden caninen Schädeln en passant die fellige Kalotte der Gefährtin gleich mittätschelte, die sich zwischen zwei wedelnden Schwänzen gerade die Schuhe zuband. Der Missstimmungen mehr ergeben sich, wenn ich in meinem Kämmerlein auf dem Diwan der Ruhe pflege, die Gefährtin nebenan vor den Regalen die Ärmchen reckt und alsbald der Ruf ertönt: „Scha-hatz! Ich komme hier an was nicht ra-han!“ Die Antwort „Dann hat der liebe Gott das eben nicht gewo-hollt!“ führt mir die Gefährtin zwar umgehend zu, allein, sie naht dann bar jedes schmuserigen Vorsatzes. Und ruht mein Blick bisweilen wohlwollend auf höher gewachsenen Exemplaren der Gattung Femina hominida, trägt mir das schon mal einen Tritt gegen das Schienbein ein. Was nun wirklich ein zutiefst niederes Ziel ist, aber da kommt die Gefährtin immerhin ohne weiteres ran. Und kommentiert – das Näslein keck in die Luft gereckt – ihr schmerzhaftes Tun mit den Worten: „Klein, aber Schwein!“
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