Aufarbeitung der NSU-Morde: Maas sieht „großes Staatsversagen“
Justizminister Heiko Maas entschuldigt sich bei Opfern und Hinterbliebenen für Fehler. So etwas dürfe nie wieder passieren.
„Dass Rechtsextreme der NSU über ein Jahrzehnt lang mordend durch die Lande gezogen sind und wir nicht in der Lage gewesen sind, dies zu stoppen und die Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen, ist nichts anderes als ein großes Staatsversagen.“ Das Leid, das die Täter angerichtet hätten, sei nicht wiedergutzumachen. „Das darf nie wieder geschehen. Dafür müssen wir alles tun.“
Er könne „das Entsetzen und die Enttäuschung der Angehörigen der Opfer sehr gut nachvollziehen“, sagte Maas. „Wir können uns bei ihnen nur entschuldigen.“
Die aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bestehende rechtsextreme Gruppe soll bis zu ihrem Auffliegen am 4. November 2011 zehn Morde und zwei Bombenanschläge verübt haben, dazu mehr als ein Dutzend Überfälle. Die meisten Opfer hatten einen Migrationshintergrund. Zschäpe muss sich zusammen mit vier mutmaßlichen NSU-Helfern vor dem Oberlandesgericht München verantworten. Sie bestreitet den von der Bundesanwaltschaft erhobenen Vorwurf der Mittäterschaft.
John bezweifelt, dass neues zu Tage kommt
Auch die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), Barbara John, hat ihre Enttäuschung übder die bisherige Aufarbeitung der NSU-Morde geäußert. „Die Hinterbliebenen sagen: Der Staat mit all seinen Ermittlungsbehörden konnte die Morde nicht verhindern – und kann jetzt die versprochene Aufklärung nicht leisten“, sagte sie der zur DuMont-Mediengruppe gehörenden Berliner Zeitung und Mitteldeutschen Zeitung (Freitagsausgabe).
Viele Familien der Opfer glaubten, „dass der Verfassungsschutz Informationen zurückhält – nicht nur weil Akten geschreddert wurden“, sagte John. Auch in den Untersuchungsausschüssen gebe es immer wieder Antwortverweigerung oder Ausweichen. „Die Betroffenen merken, dass die Dinge nicht mit aller Offenheit und Ernsthaftigkeit dargelegt werden.“ Es entstehe der Eindruck, dass das abstrakte Staatswohl höher gestellt wird als der Schutz der Menschen.
Zudem lägen die Taten immer weiter zurück. Und die jetzigen Ermittler gäben sich gar keine Mühe, noch einmal mit einem neuen Blick auf Taten und Täter zu schauen, kritisierte John: „Ich halte es deshalb für relativ unwahrscheinlich, dass zum Umfeld und zur Unterstützerszene viel Neues herauskommt.“
Die NSU-Opferbeauftragte verwies auch auf die gegenwärtige Situation, in der rechtsextreme Gewalt wieder stark zunehme. Das sei auch in den Opferfamilien ein Thema. „Sie haben nach wie vor Angst“, betonte John.
„Institutioneller Rassismus in der Strafverfolgung“
Auch die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) sagte, noch immer seien die NSU-Morde ungesühnt, Mittäter und Netzwerke ungeklärt. „Für die Hinterbliebenen der Opfer liegt darin eine erneute Entwürdigung – nachdem sie durch die Taten selbst und die erlittene Kriminalisierung schon ein erstes und zweites Mal in ihrer Würde verletzt wurden“, sagte TGD-Bundesvorsitzender Gökay Sofuoglu in Berlin.
Der Verband kritisiert zudem, dass die Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages weitgehend folgenlos blieben. „Institutioneller Rassismus in deutschen Strafverfolgungsbehörden ist im Jahr 2016 noch genauso ein Problem wie zu Zeiten der NSU-Morde“, mahnte Sofuoglu. Dieser Missstand sowie der sprunghafte Anstieg rechter Gewalt in jüngster Zeit bereiteten den türkeistämmigen Migranten in Deutschland aktuell größte Sorge.
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