kabolzschüsse: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart
Beach-Soccer
Der Strand wurde erschaffen, damit man sich drauf räkle. Mit gebotener Langsamkeit bewegten sich schon unsere Vorfahren auf krümligem Silizium, zu jenem Zeitpunkt nämlich, als die Lurche die Urmeere verließen und das Festland eroberten.
Sie mögen träge aus dem Salzwasser gekrochen sein, um Menschen zu werden. Und als sie es in Millionen von Jahren endlich geschafft hatten, begegneten sie dem Landgang der Lurche mit Respekt. Sie taten es den Urahnen nach, fläzten sich einfach hin, bewegten sich linkisch und ließen sich so lange das Hirn weich kochen, bis der IQ der Kriechtiere wieder erreicht war. Dann kam Alkohol zur Anwendung und der evolutionäre Vorsprung war vollends aufgebraucht.
Im vorigen Jahrhundert aber betrat eine Spezies die Bildfläche, die den Strand missbrauchte. Sie schämte sich ihrer Wurzeln und tat so, als sei einstmals eine Kreuzung aus Arnold Schwarzenegger und Diego Maradona den Fluten entstiegen. Der Strand hieß fortan überall nur noch Beach und war als Sportplatz freigegeben. Mit dem Schweiß der Beach-Sportler ließen sich riesige Kleckerburgen bauen.
Sobald ein Netz gespannt wurde und sich ein Ball fand, gab’s für die Beachfreaks kein Halten mehr. Sie mussten sich bewegen. Schmettern. Baggern. Dribbeln. Werfen. Die Lurchimitate räumten freiwillig den Platz. Mit der Vergangenheit war es vorbei. Körper, Zukunft und Spaß eroberten die Strände. Die schönsten Sportplätze tauften sie Bondi oder Daytona.
Berlin fehlt zwar die Anbindung zu Meer und Beach-Kultur. Aber Zilles Sandkasten tut’s zur Not auch. Im Strandbad Wannsee also wühlten sich die Kicker durchs Sediment. 154 Mannschaften traten zum Beach-Bolz an. Angesichts stark stiebenden Sandes wähnten sich die wenigen Besucher nie an Rios Copacabana.
Am Wannsee aber spielte den Fußballern zu oft ihre Feinmotorik einen Streich. Zwei Plätze standen zur Verfügung, 20 mal 30 Meter groß. Und weil die Sonne vom Himmel schien und die überhitzten Körper nach Kühlung verlangten, bot sich Eisproduzent Langnese als Hauptsponsor an.
„Einen zweistelligen Betrag haben die rübergerückt“, sagte Manfred Radermacher von den Berliner Bäderbetrieben, die mit dem Landesschulamt organisierten. Der zweistellige Betrag entpuppte sich als fünfstelliger, und wenn die Rede schon vom Geld ist: Fußballbundesligist Hertha BSC sponserte ebenso wie der geübte Fußballsponsor UCI Kinowelt und Hertie, die ein paar Gutscheine springen ließen.
„Wir machen auch gute Sachen“, wusste Thomas Poller vom Schulamt zu berichten und lobte den „pädagogischen Ansatz“ der Veranstaltung, die schon am Dienstag mit Schülerteams begann. „Schüler organisieren für Schüler, ist doch toll“, sagte Poller, bevor er sich wieder um den Spielbetrieb kümmerte.
„Ruudis Zukunft“, „Machos United“ oder „Samba Djigga“ hatten schließlich Tickets zu 70 Mark das Stück gelöst. Sie gierten nach dem Titel der besten Beach-Soccer Berlins. Meist traten Freizeitteams an, nur Hertha 03 Zehlendorf und Blau-Weiß Hohenschönhausen schickten Vereinskicker.
Um die Füße zu schonen, liefen die Vorsichtigen mit Socken oder getapten Füßen auf. Die Mutigen gingen bloßhaxert, um in zehn Minuten effektiver Spielzeit zum Erfolg zu kommen.
Die Tore waren kleiner als üblich, nur zwei mal sechs Meter, der Einsatz hingegen hoch. Schließlich gab es noch Freikarten für das Bundesligaspiel zwischen Hertha und Cottbus zu gewinnen. Das stachelte an. Setzte letzte Kräfte frei, die die Spezies der Beach-Freaks im Gegensatz zu den Lurchen jederzeit mobilisieren kann. Die Avantgarde balltreibender Strandbewohner brillierte auf ihre Art. Radermacher: „In Berlin sind wir konkurrenzlos.“ Den Lurchen verschlug es die Sprache. Sie schmiegten sich noch fester in ihre Strandkörbe.
MARKUS VÖLKER
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