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Auf der Suche nach Außerirdischen

Seit über einem Jahr läuft das größte Computerexperiment der Geschichte. Mehr als 2 Millionen Internet-Benutzer beteiligen sich an der Suche nach Lebenssignalen aus der Weite des Weltalls. Riesige Datenmengen sind bereits durchforstet worden

von KENO VERSECK

Am 11. April 1960 schaltete Frank Drake seinen Empfänger ein. Wie er erwartet hatte, rauschte und knackte es aus dem Lautsprecher. Langsam drehte er die Antenne weiter. Plötzlich übertönte ein pulsierendes Piepsen die Störgeräusche. Drake traute seinen Ohren nicht. Er drehte die Antenne zurück, das Piepsen verschwand. Dann richtete er sie wieder auf den Punkt am Himmel, von dem aus das Signal gekommen war. Und wieder ertönte das rätselhafte Piepsen.

Drake hoffte, ein Signal von Außerirdischen empfangen zu haben. Doch das Piepsen war irdischer Herkunft, wie sich später herausstellte: Die Anlage hatte Signale eines geheimen Experimentes der US-Armee registriert. Heute erinnert sich Drake lächelnd an den Augenblick vor vierzig Jahren: „Es war aufregend. Der Himmel hing voller Signale, die wenig untersucht worden waren. Später habe ich verstanden, wie unwahrscheinlich es gewesen wäre, wenn ich tatsächlich etwas von Außerirdischen empfangen hätte.“

Green Bank, US-Bundesstaat West Virginia, April bis Juli 1960. Der Radioastronom Frank Drake führt das „Projekt Ozma“ durch – die erste gezielte Suche nach künstlichen außerirdischen Radiosignalen überhaupt. Er und seine Kollegen beobachten 200 Stunden lang die beiden sonnenähnlichen, elf Lichtjahre von der Erde entfernten Sterne Epsilon Eridani und Tau Ceti. Eine Botschaft von E. T. registriert der Ein-Kanal-Radioempfänger nicht.

Was dem mittlerweile fast schon legendären Radioastronomen damals nicht vergönnt war, könnte bald einem beliebigen Laien passieren. Und zwar ganz einfach auf dem haus- oder büroeigenen PC – vorausgesetzt auf dem läuft das Computerprogramm „SETI@home“.

SETI-Forscher (von: Search for Extraterrestrial Intelligence) aus den USA entwickelten das Programm, weil sie ihre riesigen Datenmengen allein nicht mehr sinnvoll nach Signalen durchforsten konnten. Ende Mai letzten Jahres stellten sie das Programm ins Internet und luden Interessierte ein, sich an der Suche nach außerirdischer Intelligenz zu beteiligen.

Nach gut einem Jahr SETI@home sprechen die Initiatoren stolz vom „größten Computerexperiment der Geschichte“: Das Projekt hat mehr als zwei Millionen Benutzer aus 226 Ländern. Zusammen haben sie mehr als 40 Terabyte – 40.000 Gigabyte – Daten analysiert. Das entspricht rund 300.000 Jahren Laufzeit des Programmes auf einem gewöhnlichen Pentiumrechner. „Wir haben praktisch den größten Supercomputer der Welt gebaut“, sagt Dan Werthimer, Radioastronom und SETI@home-Projektleiter.

Das Programm, das auf der globalen Metamaschine läuft, ist als Bildschirmschoner konzipiert. Wie gewöhnliche Programme dieser Art schaltet es sich ein, wenn der Computer nicht benutzt wird und analysiert digitalisierte radioastronomische Daten. Findet das Programm darin ein künstliches Signal potenziell außerirdischer Herkunft, sendet es einen Vermerk an den SETI@home-Server. Das „Kandidaten-Signal“ wird dann weiter auf seine Herkunft geprüft.

Die Idee zu SETI@home entstand aus der Not heraus. Die meisten SETI-Astronomen müssen mit wenigen staatlichen Geldern auskommen, denn die Suche nach künstlichen außerirdischen Signalen zählt nicht zu den Prioritäten der Forschung. So auch im Falle des SETI-Institutes im kalifornischen Moutain View. Daten für Projekte des Institutes sammelte das 305-Meter-Radioteleskop in Arecibo auf Puerto Rico, das größte Radioteleskop der Welt. Dabei fielen tagtäglich bis zu 40 Gigabyte Aufnahmen an. Weil die Forscher aus Mountain View kein Geld für einen weiteren teuren Supercomputer hatten, kamen sie auf die Idee, bei privaten PC-Benutzern mit Internet-Anschluss Hilfe zu suchen.

Der Vorteil des kostengünstigen Metacomputers: Angesichts einer hohen Zahl von Projektteilnehmern konnten es sich die Programmierer leisten, in den Bildschirmschoner einen Analysemechanismus einzubauen, der Daten zehn Mal gründlicher analysiert als die Supercomputer des SETI-Institutes. Interessierte Benutzer bekommen das Programm in verschiedenen Versionen für die gängigen PC-Betriebssysteme. Teilnehmer am Experiment laden vom SETI@home-Server in Berkely jeweils ein Datenpaket von 360 KB herunter. Sobald dessen Analyse beendet ist, schickt das Programm das Ergebnis an den Server zurück und erhält gleichzeitig ein neues Datenpaket. Wer mit seinem Computer ein künstliches außerirdisches Signal entdeckt, hat das Recht, Mitentdecker von E. T. zu werden.

Gescannt worden ist bisher ein breiter Bereich um den Himmelsäquator. Derzeit sucht das Programm nach kompakten starken Signalen. Bis zum Projektende sollen sämtliche Aufnahmen zweimal analysiert worden sein, um Wiederholungen von Signalen herauszufiltern. Auf Grund der hohen Teilnehmerzahl, so Dan Werthimer, werde demnächst eine neue Version des Programmes erscheinen. Sie soll die Daten noch gründlicher analysieren und zudem nach Signalen in Pulsform suchen.

Zwar sind bislang rund 85 Millionen Kandidaten-Signale aus den SETI@home-Daten gefischt worden. Doch die Chance, dass sich auch nur eines davon in einer Nachanalyse als künstlich und außerirdisch erweist, ist äußerst gering. Dies liegt vor allem an der Art der Suche. Theoretisch könnte im gesamten Spektrum elektromagnetischer Wellen auf Milliarden von Kanälen gesucht werden. Das Datenmaterial für SETI@home stammt jedoch lediglich aus einem winzigen Bruchteil des Spektrums: nämlich aus einigen zehn Millionen Kanälen um die 1.420-Megahertz- Frequenz, die so genannte 21-cm-Linie des Wasserstoffs.

Dass die SETI-Forscher ausgerechnet auf dieser Frequenz hartnäckig Ausschau nach E. T. halten, hat Gründe: Es ist ein besonders ruhiger und störungsfreier kosmischer Stahlungsbereich. „Wenn E. T. Botschaften ins All aussendet, dann wird er das auf einer Frequenz tun, die den Raum leicht und ohne Interferenzen durchdringt“, sagt Dan Werthimer.

Nicht alle SETI-Fotscher glauben jedoch, dass Außerirdische sich auf dieser Frequenz bemerkbar machen würden. Unter den 70 SETI-Projekten seit 1960 waren auch Untersuchungen im Infrarot-, optischen, Ultraviolett- und sogar im Röntgen- und Gammastrahlenbereich. Forscher fahndeten dabei nach künstlichen Laser-Blitzen oder – einer Idee des amerikanischen Avantgarde-Physikers Freeman Dyson folgend – nach „Dyson-Sphären“: Gigantische Hüllen, die eine Superzivilisation um ihren Mutterstern bauen würde, um dessen gesamte Energie nutzbar zu machen. Diese Sphären müssten nach außen hin im Infrarotbereich strahlen.

Alles Suchen blieb jedoch erfolglos. Pessimistische Forscher erfanden den Begriff „silentium universi“ – das Schweigen des Weltalls. Der 1985 verstorbene russische Astronom und SETI- Forscher Jossif S. Schklowski gelangte nach Jahrzehnten Forschung gar zu einer düsteren Ansicht: Technische Zivilisationen, glaubte er, vernichten sich nach kurzer Existenz selbst – bevor sie angesichts der unglaublichen Entfernungen im All die Chance haben, voneinander zu hören.

Der SETI-Pionier Frank Drake hält nichts von solchen apokalyptischen Szenarien. „Dass wir noch keine künstlichen außerirdischen Signale gefunden haben“, sagt er, „wundert mich überhaupt nicht. Im Vergleich zu all den Sternen und Radiofrequenzen, die wir untersuchen müssten, haben wir so wenig getan, dass wir noch gar keinen Erfolg haben konnten.“

Infos im Internet:www.setiathome.ssl.berkeley.edu

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