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Auf den Schleudersitz

■ Neuer Polizeipräsident wird heute ernannt / Gerüchteküche brodelt heftig

Hamburg soll wieder einen Polizeipräsidenten erhalten; heute nachmittag will Innensenator Hartmuth Wrocklage den Mann seiner Wahl präsentieren. In Hamburgs Medien wird aber bereits heftig gemutmaßt, wer der Auserwählte sein könnte. Gewiß scheint nur, daß es ein Mann sein wird. Die in den vergangenen Monaten von Polizeigewerkschaft und „Kritischen Polizisten“ mehrfach erhobene Forderung, die Chefposition der Hamburger Polizei mit einer Frau zu besetzen, dürfte unerhört bleiben.

Als Favorit wird der jetzige Thüringer Polizeipräsident Arved Semerak gehandelt. Zumindest hat dessen Noch-Chef, Innenminister Richard Dewes (SPD), gestern in Erfurt nach Angaben der Deutschen Presseagentur zugegeben, in einem Gespräch mit Wrocklage einer Versetzung Semeraks in die Hansestadt zugestimmt zu haben. Wrocklage wiederum räumte ein, mit seinem Ministerkollegen in Erfurt gesprochen zu haben. Er halte es aber „aus der Natur der Sache für selbstverständlich, daß über solche Gespräche Stillschweigen bewahrt“ werde, weshalb er sich auch in solches zu hüllen gedenke.

Wegen des Hamburger Polizeiskandals hatte die Bürgerschaft am 5. April dieses Jahres die Wiedereinführung des 1991 abgeschafften Postens des Polizeipräsidenten beschlossen. Dieser soll, so eine interne Funktionsbeschreibung, als politischer Beamter „Ziele und Prioritäten festlegen, in gesamtpolizeilichen Fragen entscheiden und die Polizei nach außen vertreten“. Seine vordringlichste Aufgabe dürfte aber zunächst die Aufarbeitung des Polizeiskandals sein.

Arved Semerak hat eine vielseitige Polizeilaufbahn hinter sich. Der 57jährige Jurist war Revierleiter in München, Dozent an der Polizeiführungsakademie in Hiltrup und Referent im Bundesinnenministerium. Von 1987 bis 1989 war er stellvertretender Abteilungskommandeur beim Bundesgrenzschutz in Bonn. Seit 1991 ist er in Thüringen und dort seit Februar Polizeipräsident.

Eigentlich hatte sich die Hamburger Innenbehörde einen „nicht aus dem Vollzug“ kommenden Polizeipräsidenten gewünscht. Einem Zivilisten wurde eine größere Distanz zum Polizeiapparat und damit eine größere Akzeptanz in der Außenvertretung zugetraut. Wie es scheint, scheitert dieser Ansatz an einer nicht ausreichenden Zahl von geeigneten Kandidaten, die bereit sind, sich auf den Schleudersitz des Polizeipräsidenten zu setzen. smv

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