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Auf Sand gebaut

■ Asbest in St.-Thomas läßt Theaterpremiere platzen

Mit einem Theaterstück der Gruppe »Kargo« sollte die seit 1985 wegen Nachweises von Asbest geschlossene St.- Thomas-Kirche in Kreuzberg als Kulturzentrum eröffnet werden. Im Sommer 1990 wurde die Asbestsanierung nach einer gründlichen Messung mit negativem Ergebnis als abgeschlossen betrachtet und die Gemeinde von St.Thomas sah keinen Grund, das Gebäude nicht an die Theatertruppe zu vermieten, die zur Aufführung ihres Stückes Sand einen hohen Raum benötigt und sich deshalb an verschiedene Kirchengemeinden wandte. Zur Herstellung des Bühnenbildes wurden u.a. 50 Tonnen Sand mit drei Lastwagen angekarrt, insgesamt kostet die Produktion 70.000 DM, was den gesamten Jahresetat der Gruppe ausmacht.

Wahrscheinlich wäre das Stück auch wie vorgesehen am 24.10. zur Aufführung gekommen, wenn nicht zufällig vor drei Wochen »Kargo« bei der Bauaufsicht, dem Bezirksamt Kreuzberg, angefragt hätte, ob die Denkmalsbeleuchtung während der Vorstellung abgeschaltet werden kann, und bei dieser Gelegenheit mitgeteilt bekommen hätte, daß das Gebäude nicht zur Nutzung freigegeben ist. Ausgerechnet am Premierentag kam dann das Nein zur Nutzung der Kirche, nachdem bei zwei von achtzehn Probemessungen ein geringfügiger Asbestanteil nachgewiesen wurde — eine Entscheidung, die durchaus im Ermessensspielraum der Bauaufsicht lag —, und so bat die Kirchengemeinde zur Premierenfeier in das Gemeindehaus, während nebenan in der Kirche noch einmal gemessen wurde.

Was nun? Das Bühnenbild zu transportieren würde 50.000 DM kosten, eine Summe, die »Kargo« unter gar keinen Umständen aufbringen kann. Wenn sich nach der für Anfang nächste Woche vorgesehenen Totalmessung unter Betrieb der zur Zeit noch kaputten Heizung herausstellen sollte, daß der Raum bis auf weiteres nicht genutzt werden kann, steht die Truppe vor dem finanziellen Ruin: keine Senatsgelder für das nächste Jahr, weil dieses Jahr keine Produktion aufgeführt wurde, und keine Gagen für die SchauspielerInnen, die darauf angewiesen sind. Selbst wenn die Premiere doch demnächst stattfinden kann — vorgesehener Termin ist jetzt der 7. November —, bedeutet die Verzögerung wesentliche finanzielle Einbußen, weil zwei Mitglieder der Theatergruppe, unter anderem der Regisseur und Mitautor von Sand, Banaby Gale, noch dieses Jahr in die USA zurückfahren müssen und die Aufführungsdauer des Stückes dadurch begrenzt wird. Anne-Katrin Kepettsch

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