Auf Du und Du mit der Schulmisere: Gegen Volkes Willen
■ Koalition lehnt Bürgeranträge ab
Die große Koalition hat am Mittwoch gegen die Stimmen der Grünen und teils gegen die der AfB die Bürgeranträge zur Bildungsmisere abgeschmettert. Unisono hieß die Antwort der Deputierten für Bildung und Finanzen: Die Forderungen sind finanziell nicht umzusetzen.
Klaus Bürger, bildungspolitischer Sprecher der CDU, rechnete vor: „Nach dem Bürgerantrag für bessere Unterrichtsversorgung müßten 700 neue Lehrer eingestellt werden. Das kostet 70 Millionen Mark im Jahr – unmöglich.“Zum Antrag Schulraum hieß es, dafür sei der Stadtreparaturfonds mit 20 Millionen Mark eingerichtet worden. Auch zusätzlich 1,2 Millionen Mark für bessere Lehr- und Lernmittel seien angesichts der Hauhaltslage nicht mehr aufzubringen.
Die Vertreter des Zentralen Elternbeirats waren angesichts dessen stocksauer. Margitta Schmidtke: „Die drei Anträge von jeweils 50.000 Bremer Bürgern sind von der großen Koalition ins Lächerliche gezogen worden. Es ging nur um die Kostenfrage. Inhaltlich ist überhaupt nicht diskutiert worden.“Das demokratische Instrument Bürgerantrag sei gescheitert.
Dieter Mützelburg, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, polterte los: „Das war eine Miß-achtung des Volkswillens, was sich die große Koalition da geleistet hat. Ein Skandal, weil keine konkreten Vorschläge aufgegriffen wurden und weil die Behörde völlig widersprüchliche Zahlen vorgelegt hat.“
Mützelburg meint damit die Zahl der zusätzlichen LehrerInnen-Einstellungen durch den Bürgerantrag. Laut der Behörde von Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) müßten in Bremen nach der neuen Arbeitszeitregelung 451 und nach Angaben des Bremerhavener Ma-gistrats 240 neue Stellen in der Seestadt geschaffen werden. Mützelburg: „Es ist nicht zu vermitteln, warum Bremerhaven mit einem Viertel der Schüleranzahl halb so viele neue Lehrerstellen braucht.“Zudem könnten nach Meinung des Grünen mit dem Solidarpakt neue LehrerInnenstellen wesentlich kostengünstiger ausfallen.
Das scheitert aber an Differenzen zwischen der CDU und den LehrerInnen. Letztere wären bereit, auf Stunden und Gehalt zu verzichten – zugunsten von Neueinstellungen. Problem: Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) will nur 50 Prozent der Sparsumme in neue LehrerInnen-Stellen reinvestieren.
Zur besseren Lernmittelausstattung sagt der Grüne Mützelburg, „die 1,2 Millionen Mark pro Jahr lassen sich freischaufeln. Es fehlt nur die Bereitschaft in der Koalition.“Zudem fordert er, die bekannten Mobilbauten an Bremer Schulen sukzessive abzubauen. 196 davon gammeln in der Stadt herum, sind teilweise mehr als 30 Jahre alt. Wegen gesundheitsschädigender Dämm-Materialien grenze Unterricht darin an Körperverletzung, so Mützelburg. Die Grünen schlagen darum vor, 20 Mobilbauten pro Jahr abzubauen. Kosten: Zwölf Millionen Mark. Eine Sanierung der Schulbauten will Mützelburg über Gesellschaften wie die Gewoba erledigen. „Dafür erwirbt die Gewoba die Bauten und vermietet sie renoviert an die Stadt zurück.“
Mit diesem Modell könnten sich sogar CDU und SPD anfreunden. SPD-Fraktions-Chef Christian Weber sagte: „Ein Verkauf kommt aber nicht in Frage.“Ähnlich moderat äußerte sich der SPD-Chef auch zum Thema Unterrichtsversorgung: „Ich bin absolut dafür, 100 Prozent der Solidarpakt-Einsparungen in neue Lehrerstellen fließen zu lassen.“ Jens Tittmann
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen