Auf Bali beginnt die heiße Phase: Der Tag der Reden

Mit Reden von 150 Staatschefs und Ministern steuert die Klimakonferenz auf die Entscheidung zu. Sigmar Gabriel profiliert sich als Kontrapart zu den USA.

"Klimaschutz funktioniert nur, wenn gleichzeitig die Armut bekämpft wird" - zerstörtes Torfland im indonesischen Kuala Cenaku. Bild: ap

NUSA DUA taz Es ist der Tag der großen Politik auf Bali. Mit einem eindringlichen Appell von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beginnt das so genannte "Ministersegment" - Reden von insgesamt sechs Regierungschefs und 144 Ministern aus aller Welt. Irgendwann am Nachmittag soll auch Sigmar Gabriel seinen Auftritt haben.

Die Verhandlungsposition der Vereinigten Staaten hat gestern für Verwirrung gesorgt. "USA überraschen mit Klima-Offensive", lautete eine Meldung aus Bali. "USA bekräftigen Nein zu konkreten Vorgaben", eine andere. Eine dritte Überschrift kombinierte: "Trotz mehr Beweglichkeit bleiben USA der Bremser". Das trifft zu: US-Delegationsleiterin Paula Dobrinsky hat ihr Nein zu konkreten Vorgaben im Verhandlungsmandat bekräftigt. "Wir wollen einen Prozess einleiten, der offen ist." Zahlen wie die geforderten 25 bis 40 Prozent hält sie für eine inakzeptable "Vorfestlegung". Trotz dieser harten Haltung treten die USA nach Ansicht von Beobachtern viel beweglicher auf als etwa ein Jahr zuvor bei der Klimakonferenz in Nairobi. Während sie damals den Klimawandel bezweifelten, erkennen sie ihn nun an und wollen sich an einer Nachfolgeregelung fürs Kioto-Protokoll beteiligen.

Nachdem er am Vorabend auf Bali gelandet ist, hat sich der Umweltminister im schwarzen Anzug aus leichtem Stoff morgens um halb acht erstmals zur Morgenkonferenz mit der deutschen Delegation getroffen. Von dort gings weiter zum EU-Treffen, um Positionen, Vorgehensweise und Zeitpläne abzustimmen.

Jetzt sitzt der Minister im Plenum. Hört zu, studiert Papiere, vergibt Arbeitsaufträge an seine Mitarbeiter. Später wird er die Reden auf dem Podium so kommentieren: "Alle haben erklärt, wie wichtig es ist zu handeln. Aber leider vergessen das einige Minister, wenn sie dann selbst in den Verhandlungen sitzen."

In der Mittagspause steht Gabriels erster offizieller Auftritt an: eine internationale Pressekonferenz, auf dem gleichen Stuhl, auf dem zuvor Ban Ki Moon saß. Der Minister ist in seinem Element. "Es geht hier um eine Reise: Bali ist der Startpunkt, und ein neues Klimaregime für die Zeit nach dem Kioto-Protokoll ist das Ziel", sagt Gabriel. Das Kioto-Protokoll läuft Ende 2012 aus. "Wir müssen verabreden, welche einzelnen Stationen wir auf dieser Reise ansteuern."

Die Vorbildfunktion, die Deutschland zugeschrieben wird, nimmt der Minister mit Freude wahr. Gabriel erklärt den etwa 75 Journalisten, dass Klimaschutz nur in Verbindung mit Armutsbekämpfung funktioniert. Gabriel gibt bekannt, dass Deutschland jetzt jährlich 1 Milliarde Euro für Klimaschutz in Entwicklungsländer geben wird. Gabriel sagt, dass nicht alle Industrieländer ihren CO2-Ausstoß um 30 Prozent bis 2020 senken werden können, weshalb Deutschland sich verpflichtet hat, 40 Prozent zu reduzieren. Gabriel verkündet, dass die Bundesregierung dafür auch gerade ein Maßnahmenpaket beschlossen hat. "Für uns ist der Klimawandel nicht nur Gefahr, sondern auch Chance."

Die Fragen der Weltpresse drehen sich vor allem um die USA, die in der Bali-Roadmap nach wie vor keine konkreten Zielvorgaben akzeptieren wollen (siehe Kasten). "Halten Sie das für sinnvoll?", fragt ein amerikanischer Journalist. "Wer eine Road-Map, eine Straßenkarte, entwickelt, der muss sie einnorden", erklärt der Minister. "Die Wissenschaft sagt, wir müssen 2020 zwischen 25 und 40 Prozent unter dem Emissionsniveau von 1990 liegen. Auch die USA können diesen Sachverstand nicht ignorieren." Und was passiert, wenn die USA einem solchen Passus nicht zustimmen? Da geht Gabriel auf Konfrontationskurs: "Wir brauchen kein Papier, das sagt: Wir treffen uns nächstes Jahr wieder. Die EU ist hier angetreten, um das Ziel festzuschreiben."

Nächster Programmpunkt: Fototermin mit dem Umweltverband WWF - zwei Aktivisten in Schneckenkostümen und sechs Dutzend Fotografen und Kamerateams. Hier wird Gabriel von der Kritik aus der Heimat eingeholt. "Wir wollen wirklichen Klimaschutz! Wir brauchen einen Durchbruch", ruft WWF-Klimaexpertin Regine Günther. "Das müssen Sie den Amerikanern sagen", erklärt Gabriel. "Nicht nur", kontert Günther und übergibt dem Minister 5.000 Unterschriften eines Aufrufes: "Keine neuen Kohlekraftwerke in Deutschland!" "Schön", sagt der Minister, er müsse aber leider weiter.

Beim Briefing der deutschen Presse - inzwischen hat der Minister vor der Hitze kapituliert und sein Jackett ausgezogen - geht es wieder um die Rolle der USA. "Man könnte verstehen, wenn die USA sagen: Vor den Wahlen reden wir nicht über Werkzeuge. Aber das wollen wir ja auch gar nicht. Hier geht es darum, einen Bauplan zu entwickeln." Also muss doch gesagt werden, was man eigentlich bauen will. Wie steht es mit Kanada und Japan, denen ebenfalls Blockade vorgeworfen wird? "Beide Staaten kochen eine ganz unangenehme Suppe", bestätigt Gabriel. "Aber wir werden mit den Kanadiern und den Japanern reden und sie auf den Pfad von Heiligendamm zurückbringen." Auf dem G-8-Gipfel hatten sich auch Kanada und Japan zu starken Reduktionszielen bekannt.

Bei den weiteren Verhandlungen wird Gabriel besonderen Einfluss haben. Um den Ablauf zu beschleunigen, soll eine Kommission von nur 40 Ministern gebildet werden. Als einer von 5 Europäern werde er darin mitarbeiten, berichtet der Umweltminister noch. Für Interviews ist danach nur noch wenig Zeit. "Ich will vor meiner Rede eine Weile im Plenum sitzen", sagt Gabriel. Akklimatisieren, Präsenz zeigen.

Dann sitzt er im Plenum - und muss sich gedulden. Mehr als 60 Redner sind vor ihm dran, und der Zeitplan ist deutlich aus dem Ruder gelaufen. Anrufe erreichen den Minister, die sein Eingreifen zu erfordern scheinen. Er berät sich kurz, springt auf und eilt aus dem Saal. Halb sechs dann ist es so weit: Gabriel eilt auf die Bühne. Gabriel spricht für Deutschland zur Welt: "Die Industrieländer müssen akzeptieren, dass von ihnen mehr als eine Langzeitverpflichtung verlangt wird. Nichts ist für einen Politiker einfacher, als zu erklären, bis 2050 die Hälfte der Treibhausgase seines Landes reduzieren zu wollen. Denn das muss nicht er umsetzen, sondern seine Enkel. Wir brauchen deshalb mittelfristige Zusagen: 30 Prozent bis 2020." Aber da hat sich der Saal schon deutlich geleert.

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