■ taz hörsaal: Auch wir sind schuld!
Im Hörsaal schreiben Studierende über die Misere an deutschen Hochschulen:
Wer ist schuld an der Misere? Nicht nur der Staat. Auch die Lehrenden. Und vor allen Dingen wir Studierende. Wir waren es nämlich, die es sich jahrelang haben gefallen lassen, in übervollen Hörsälen und mit wenig Geld zu studieren. Aber dann war es genug. Wir fingen an zu streiken! Für mehr Bafög, Demokratisierung und Bildung für alle... Stopp!
Woran lag es eigentlich, daß von uns jahrelang keiner was getan hat? Hat uns der Staat dumm gebildet? Umfunktioniert zu „Happy-Hippos“? Der Studi schwieg, streikte mal ein bißchen und setzte sich wieder zur Ruh'. Warum zum Beispiel gibt es immer mehr Geld für die Wirtschaftswissenschaft und immer weniger Geld für Fächer wie Theaterwissenschaft und Skandinavistik? Hier wird eine Umgewichtung deutlich. Die in Deutschland einzig verbliebene Ressource Bildung wird uns nicht entzogen, sondern bekommt neue Eigenschaften: Von der Funktion, uns in einer Medien- und Wirtschaftsgesellschaft zu mündigen Bürgern mit kritischem Bewußtsein zu bilden, findet ein Wechsel hin zu rein wirtschaftlich funktionierenden Egoisten statt.
Richtig und relevant ist, daß die Majorität der Studierenden für bessere Verhältnisse an den Unis streikt. Ist ja auch gut, daß überhaupt mal was passiert. Aber eine grundlegende Gesellschaftskritik ist nicht vorgesehen. Bei den jetzigen Forderungen würde das kritische Bewußtsein wieder auf der Strecke bleiben. Vielleicht sollten wir unter diesem Gesichtspunkt unsere Resolutionen neu überdenken. Dann hört auch dieses Solidaritätsgefasel endlich auf. Wenn dieser Studentenprotest zu Diskussionen an Streikposten über genau diese Themen führt und sich vielleicht sogar ein größeres Podium finden läßt, so ist schon der wichtigste Schritt getan: Wir Studenten fangen zu denken an. Dirk Schwantes
(Ruhr-Universität Bochum)
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