: Auch in der DDR–Provinz Razzien gegen Opposition
■ Proteste in Ost–Berlin gegen Verhaftungen / Festnahmen in Dresden, Weimar und Halle
Aus Ost–Berlin Clara Roth
Gegen die Verhaftung zweier Mitglieder der Ost–Berliner „Umweltbibliothek“ kam es gestern in Ost–Berlin zu heftigen Protestaktionen: Früh morgens hißten Demonstranten ein Transparent am Turm der Zionskirche, auf dem die Freilassung von Wolfgang Rüddenklau und Bert Schlegel gefordert wurde. Stephan Hermlin, Vorstandsmitglied des DDR–Schriftstellerverbandes, verurteilte die Aktion der Staatsanwaltschaft. Die Staatsorgane weiteten unterdessen ihr Vorgehen gegen die unabhängige Friedens– und Ökologiebewegung auf die ganze DDR aus. In Dresden, Weimar und Halle wurden MitgliederInnen von Basisgruppen festgenommen , verhört und mit Reiseverboten nach Ost–Berlin belegt. In der am Mittwoch durchsuchten Zionsgemeinde soll am Wochenende ein seit langem geplantes Umweltseminar von DDR– Ökogruppen stattfinden.Offenbar wollen die Staatsorgane TeilnehmerInnen aus der DDR im Vorfeld abfangen und so eine zentrale Protestaktion in Ost–Berlin verhindern. Von der Kirchenleitung haben die inhaftierten MitarbeiterInnen der Umweltbibliothek Rückendeckung bekommen: Ostberlins Konsistorialpräsident Stolpe erklärte, die Kirche werde „für jeden, der ernsthaft gefährdet ist, eintreten“, falls es zu Haftbefehlen und Strafverfahren gegen Mitglieder der unabhängigen und kirchlichen Gruppen in der DDR komme. Deutlich widersprach Stolpe der Darstellung von ADN, die Inhaftierten hätten „hinter dem Rücken der Kirche“ gehandelt. Die Umweltbibliothek werde „von kirchlichen Gruppen betrieben. Ihre gesamte Tätigkeit wird von uns gedeckt“. Auch die Umweltbibliothek widersprach in einer Erklärung der gestern in allen DDR–Zeitungen verbreiteten Meldung, die beiden Inhaftierten hätten „staatsfeindliche Schriften“ hergestellt: „In der Nacht zum 25. wurden in der Umweltbibliothek die Umweltblätter hergestellt. Diese erscheinen legal im Rahmen der evangelischen Kirche und sind im Zuge der Hausdurchsuchung auch nicht beschlagnahmt worden. Die Umweltblätter werden vom Friedens– und Umweltkreis der Zionsgemeinde herausgegeben.“ Bis zur Freilassung der Inhaftierten, der Einstellung der Ermittlungsverfahren und Herausgabe der beschlagnahmten Wachsmatritzendruckmaschinen soll die Mahnwache vor und in der Zionskirche mit Unterstützung der Kirchenleitung fortgesetzt werden. Auch gestern hielt sich in der Umgebung der Kirche am Prenzlauer Berg ein massives Polizei– und Ziviaufgebot auf. Eine polizeiliches Videoteam konnte noch rechtzeitig vom Gelände der Kirchengemeinde vertrieben werden. Am Vormittag waren der Ost– Berliner Liedermacher Stephan Krawczyk und die Theaterregisseurin Freya Klier zur Staatsanwaltschaft vorgeladen worden. Ihr Programm und ihr Offener Brief an den DDR–Chefideologen Hager, in dem die Künstler die Umsetzung von Gorbatschows Kurs in der DDR gefordert hatten, stellten eine „öffentliche Herabwürdigung“ von Staatsorganen der DDR dar. Sollten sie trotz ihres Berufsverbots weiter in Kirchen auftreten, müßten sie mit „strafrechtlichen Maßnahmen“ rechnen.
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