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Auch die Oberpfalz schwimmt im Säurebad

■ Immer neue Fässer mit hochgiftigem Chemieabfall tauchen entlang bayerischer Autobahnen auf / Sieben Feuerwehrmänner wurden bei Bergungsarbeiten vergiftet

Regensburg (AP) – Der Giftmüllskandal in Nord- und Ostbayern hat sich dramatisch ausgeweitet: Gestern tauchten auch in der Oberpfalz bei Amberg 16 Fässer mit mehreren Tonnen hochgefährlicher Blausäurechemikalien auf. Insgesamt wurden von Samstag bis gestern 33 Fässer gefunden. Bis Mittwoch abend waren bereits Giftfässer auf drei Autobahnparkplätzen entlang der A 6 Nürnberg–Amberg gefunden worden. In Unter- und Mittelfranken entlang der Autobahn Frankfurt– Nürnberg stellte die Polizei bis Mittwoch nachmittag weitere 1,6 Tonnen sicher. Die hochgefährlichen Stoffe waren auf vier Autobahnparkplätzen sowie in einem Ortsteil von Geiselwind abgeladen worden, einige Fässer waren leckgeschlagen oder unverschlossen.

Bei dem Versuch, bei Sulzbach- Rosenberg beschädigte Fässer mit Zinkzyanid zu bergen, atmeten am Mittwoch zwei Polizisten und sieben Feuerwehrmänner Blausäuredämpfe ein. Sie mußten mit Vergiftungserscheinungen im Krankenhaus behandelt werden.

Von den Tätern, die die brisante Fracht offenbar in einem Radius von mehr als 150 Kilometern abluden, fehlte zunächst noch jede Spur. Das Landeskriminalamt übernahm die Ermittlungen. Die Bevölkerung wurde dringend davor gewarnt, in die Nähe von verdächtigen Kunststoff-, Holz- oder Blechfässern zu kommen oder sie gar zu berühren. „In Ostbayern wird jetzt alles abgekämmt“, sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Regensburg, Norbert Czerny, am Donnerstag. „Unter dem Giftmüll befinden sich hochgiftige Substanzen, die schon in geringen Mengen zu schwersten Gesundheitsschäden führen können.“

„Es ist klar, daß die schwergiftigen Stoffe in krimineller Weise absichtlich abgeladen wurden“, sagte Czerny. Die Chemikalien in Granulat- und Kristallform, die in der Mehrzahl in Plastik- und Holzfässern mit 50 bis 200 Litern Fassungsvermögen abgefüllt waren, wurden nach ersten Ermittlungen in aller Eile von der Ladefläche eines Lastwagens abgeworfen. Beim Aufspringen einiger Fässer seien zwar giftige Stoffe auf das Erdreich geraten, ein Eindringen sei jedoch durch die rasche Bergung verhindert worden, berichtete die Polizei in Würzburg. Zum Glück habe es nicht geregnet.

Bei dem Giftmüll handelt es sich um Chemikalien wie Natrium- und Kaliumzyanid, Natriumfluorid und Kaliumdichromat, die in der Metallverarbeitung zum Einsatz kommen. Zyanid ist Blausäuresalz. Zinkzyanid ist ein weißes Pulver, das nach bitteren Mandeln riecht und beim Einatmen und Verschlucken sehr giftig wirkt. Bei Hautkontakt mit dem Chemikalien sind Verätzungen zu befürchten.

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