Auch bei innereuropäischen Flügen: EU-Staaten wollen mehr Fluggastdaten
Großbritannien und 14 andere Staaten wollen auch auf Flügen innerhalb Europas die Speicherung von Fluggastdaten. Die Bundesregierung lehnt das ab.
FREIBURG taz | Die geplante Vorratsspeicherung für Fluggastdaten könnte noch weiter gehen als bisher vorgesehen. Die Mehrheit der EU-Staaten will sie auf innereuropäische Flüge ausweiten. Die Bundesregierung lehnt das ab, ist aber in der Minderheit. Am Montagabend wird in Brüssel der EU-Ministerrat wohl eine Vorentscheidung fällen.
Schon seit Jahren werden europäische Fluggastdaten den USA, Australien und Kanada übermittelt. Zur Terrorbekämpfung kann man dort auswerten, wer interkontinental wann mit wem wohin geflogen ist. Jetzt will die EU-Kommission ein eigenes europäisches Auswertungssystem einrichten. Die Daten von Interkontinentalflügen sollen von den EU-Staaten fünf Jahre lang für Sicherheitszwecke gespeichert und analysiert werden.
So sollen die Sicherheitsbehörden terroristische Anschläge und organisierte Kriminalität besser aufklären können. Außerdem sollen Verdachtsmomente gegen noch unbekannte Gefährder gewonnen werden, Wie das funktionieren soll, konnte noch niemand befriedigend erklären.
Umstritten ist bislang weniger das Projekt an sich, sondern eher sein Umfang. Innenkommissarin Cecilia Malmström, die ihren Vorschlag im Februar vorstellte, wollte aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen zunächst keine innereuropäischen Flüge erfassen. Viele EU-Staaten halten das jedoch für inkonsequent.
Schließlich gebe es ja auch in Europa terroristische und schwerkriminelle Strukturen. Unter der Führung von Großbritannien hatten sich Ende März fünfzehn EU-Staaten für eine Ausweitung ausgesprochen. Zu den verschärfungswilligen Staaten gehören Schwergewichte wie Frankreich, Spanien, Schweden und Polen.
"Das wird knapp"
Manche der Staaten wollen nur besonders relevante Inner-EU-Flüge erfassen, andere den ganzen innereuropäischen Flugverkehr. Die EU-Kommission warnt, dass dann bis zu viermal so viele Daten zu speichern wären wie von ihr geplant. Auch die Kosten der Fluggesellschaften würden massiv steigen. Die Lufthansa rechnet schon beim Kommissionsvorschlag mit Mehrkosten von monatlich 150.000 Euro.
In Deutschland ist die Fluggastdatenspeicherung auch bei Konservativen nicht populär. Solange die Speicherung der Telekommunikationsdaten nicht durchgesetzt ist, will man keine neue Baustelle eröffnen. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag hat die FDP zwar prinzipiell dem Projekt zugestimmt, sich allerdings ein höheres Datenschutzniveau als beim Abkommen mit der USA ausbedungen. In Deutschland lehnen bisher nur Grüne und Linke das Projekt gänzlich ab.
Auf EU-Ebene wird alles auf das Europäische Parlament ankommen. Die Europaabgeordneten können nicht nur die Verschärfung des Kommissionsvorschlags ablehnen, sondern auch das ganze Projekt verhindern. Ob dies gelingt, ist offen. "Grüne, Linke und Liberale sind dagegen, Sozial- und Christdemokraten sind gespalten", sagt der Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht, "das wird knapp werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört