■ Auch Verteidigungsminister Scharping muss sparen: Auf dünnem Eis
Rudolf Scharping ist nicht zu beneiden. Dabei ist er derzeit viel populärer als Gerhard Schröder und wird in Leitartikeln sogar immer wieder als möglicher Nachfolger des Bundeskanzlers gehandelt, sollte dieser straucheln. Aber der Verteidigungsminister bewegt sich auf dünnem Eis.
Er hat hoch gepokert und verloren. Die Tatsache, dass auch Scharping sich nun dem Sparzwang unterwerfen muss, erscheint öffentlich vor allem deshalb als Niederlage, weil er so lange Widerstand dagegen geleistet hat. Teile der Streitkräfte und deren Lobby danken ihm nicht etwa diese Bemühungen, sondern verübeln ihm seine Erfolglosigkeit. Das erschwert dem Verteidigungsminister die größte Aufgabe, die er in dieser Legislaturperiode leisten muss: ein überzeugendes Konzept für die künftige Struktur der Bundeswehr vorzulegen, das sich mit den Wünschen des Finanzministers in Einklang bringen lässt.
Bislang hat sich Scharping stets auf das Argument zurückgezogen, über die künftige Struktur der Bundeswehr könne erst beraten werden, wenn die zuständige unabhängige Kommission ihre Arbeit beendet habe. Aber es erscheint immer fraglicher, ob der Minister diese Linie beibehalten kann. Die Kommission soll im September 2000 Ergebnisse vorlegen. Bis dahin muss der nächste Wehretat schon stehen. Und dieser Etat wird noch schmaler ausfallen als der diesjährige.
Die Einsparungen, die Scharping jetzt plant, lassen sich mit der gegenwärtigen Struktur der Bundeswehr noch vereinbaren. Auf Interesse stoßen viele Einzelmaßnahmen mehr wegen ihres symbolischen Charakters als wegen ihrer tatsächlichen Bedeutung. Die geplante Verringerung der Personalstärke fällt nummerisch kaum ins Gewicht und ist nur deshalb eine Meldung, weil der Umfang der Streitkräfte von jeher ein politisches Reizthema war.
Details des Wehretats machen dennoch deutlich, dass die Sparmaßnahmen den Charakter der Bundeswehr schon jetzt schleichend verändern. Im nächsten Jahr sollen keine Truppenwehrübungen stattfinden. Scharping begründet das damit, dass die durch internationale Einsätze stark beanspruchte Truppe nicht überfordert werden dürfe und derartige Übungen derzeit sicherheitspolitisch wenig sinnvoll seien. Das ist ein weiterer Mosaikstein in dem Bild einer Bundeswehr, die den Schwerpunkt ihrer Arbeit von der Landesverteidigung hin zu Auslandseinsätzen verlagert. Es wäre befreiend, würde darüber endlich offen und öffentlich diskutiert. Bettina Gaus
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