: „Auch Opas können mitmachen“
Jutta Shaikh war erschrocken über die wachsende Diskriminierung und stieg deshalb bei den Omas gegen Rechts in Frankfurt am Main ein
„Wie eine Löwenmutter kämpfe ich dagegen, dass meine Kinder diskriminiert werden – für meine Kinder und deren Kinder“, schmettert Jutta Shaikh in ihr Mikrofon. Das Publikum applaudiert frenetisch. Ein guter Moment für einen Micdrop, würde man sagen. Doch Jutta Shaikh hält ihr Mikrofon über die vollen 90 Minuten stets direkt vor den Mund – ob sie spricht oder nicht. Sie sitzt auf der Bühne der taz-Veranstaltung in Frankfurt am Main zu den Omas gegen Rechts, gemeinsam mit ihrer Mit-Oma Christiane Lähnemann. „Richtig politisch aktiv geworden bin ich erst im Ruhestand“, erzählt sie. Nachdem sie 2015 nach zwölf Jahren aus den USA zurückgekommen war, war sie erschrocken über die wachsende Diskriminierung in Deutschland. Das vor Augen, stieg sie 2018 bei den Omas gegen Rechts in Frankfurt ein, deren Sprecherin sie heute ist: „Nach drei Monaten war ich voll drin. Ein zweites Berufsleben, kann man fast sagen. Mehr als acht Stunden täglich. Aber das erwarten wir nicht von allen. Jeder bringt sich ein, so viel er kann und mag.“ Früher, als alleinerziehende Mutter mit Studium und Beruf, fehlte ihr die Zeit für Aktivismus – obwohl sie stets gegen Rassismus und Diskriminierung eingetanden sei. Auch persönlich: Ihre Familie ist Heimat von 17 Nationalitäten.
Die Frankfurter Ortsgruppe gehört zu den ältesten. Sie gründete sich kurz nach der Facebook-Initiative der Österreicherin Monika Salzer im November 2017. Heute ist die Organisation basisdemokratisch, mit eigenständig agierenden Ortsgruppen. Jutta Shaikh sagt: „Oma sein ist eine Haltung. Kein Alter, kein Geschlecht. Auch Opas oder Menschen ohne Enkel können mitmachen. Wir wollen nicht, dass unsere Kinder und Enkel den Scherbenhaufen auffegen müssen, den wir nach dem Nationalsozialismus erlebt haben.“ Etwa 40.000 Mitglieder zählt die Bewegung laut eigenen Angaben heute. Eine Erfolgsgeschichte mit Folgen: „Aufgrund unseres großen Bekanntheitsgrad muss die Außenwirkung heute stärker beachtet werden als noch vor drei Jahren.“ Ein Beispiel ist die Kleine Anfrage der CDU/CSU vom 24. Februar, in der die Neutralität staatlich geförderter Organisationen – darunter auch der Omas – infrage gestellt wurde: Daraufhin seien „1000 Hassmails pro Tag“ gegen die Omas eingegangen – aber auch Positives war zu verzeichnen: „Beitrittserklärungen kamen im Sekundentakt.“ Shaikh nennt die Anfrage „einen klaren Einschüchterungsversuch“ seitens der CDU/CSU gegen die überparteiliche Organisation. Die Omas arbeiten ehrenamtlich, gefördert werden nur einzelne Projekte, nicht der Verein. Kooperationen wurden schwieriger, der Ruf hat gelitten. Immer wieder betont sie gegenüber der taz und auf der Bühne die Überparteilichkeit. „Wir sind nicht der Feind der CDU. Die AfD ist der Feind. Wir fühlen uns dem Schutz der Demokratie verpflichtet.“
Diese Pflicht spüre sie besonders gegenüber jungen Menschen, von denen sich einige von der AfD angezogen fühlen. Ob die an rechte Parteien verloren seien? „Ich glaube, das ist noch nicht verfestigt – außer bei denen, die schon in ganz rechten Organisationen aktiv sind. Da weiß ich nicht, wie man die zurückholt.“ Sie betont aber auch, dass viele nicht rechts wählen, und lädt sie ein, die Omas bei Social Media zu unterstützen. Felix Bouché
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