: Auch Kiraly muß das Verlieren lernen
Bei der ersten Beachvolleyball-WM verhilft göttlicher Beistand den brasilianischen Teams zu beiden Titeln, doch der Boom der letzten Jahre scheint sich im Sand zu verlaufen ■ Aus Los Angeles Nina Klöckner
Es tut weh, wenn es zum erstenmal passiert. Wenn die Dame an der Kinokasse einem freundlich erklärt, daß man künftig den vollen Preis bezahlen muß. Oder das Einwohnermeldeamt den Personalausweis nicht mehr für fünf, sondern für zehn Jahre ausstellt. Aber es hat keinen Sinn, sich zu wehren. Irgendwann kriegt es jeden, das Alter. Auch Karch Kiraly. Und ihn schmerzt es besonders.
Schließlich hat der Amerikaner in den vergangenen 15 Jahren im Volleyball alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, zweimal olympisches Gold in der Halle, im letzten Jahr auch die olympische Premiere im Beachvolleyball. Mit seinem Partner Kent Steffes war er über hundert Turniere im Sand unschlagbar. Insgesamt hat er sich mindestens zwei Millionen Dollar Preisgeld erspielt. Ein Dutzend Firmen wirbt mit seinem braungebrannten Körper. Nicht nur in den USA ist Kiraly (36) ein Star.
Doch in Los Angeles, bei der ersten Weltmeisterschaft im Beachvolleyball, war es soweit. Schon im Viertelfinale hat Kiraly mit seinem neuen Partner Adam Johnson verloren, gegen zwei Brasilianer, die beide fast zehn jahre jünger sind als er. Die konnten es danach kaum fassen. „Ich habe in der vergangenen Nacht geträumt, daß wir gegen Karch gewinnen“, sagte Paulo Emilio nach dem Spiel. Und als er aufgewacht sei, hätte er zu seinem Partner Paulao gesagt: „Ich glaube, Gott will uns helfen.“
Ob mit oder ohne göttliche Hilfe, die zwei haben das Spiel ihres Lebens gemacht, am Ende die Bronzemedaille gewonnen, und Beachvolleyball-Fans werden sich die Namen der beiden merken.
Nur Kiraly nicht. In der Pressekonferenz blickte er lieblos über alle hinweg, während sich Kollege Johnson für seine Fehler entschuldigte. Erst als über die Gegner aus Brasilien gesprochen wurde, wollte Karch doch etwas sagen: „Der Spieler auf der linken Seite – ich weiß nicht, wie er heißt – kann den Ball nicht sauber spielen.“
Karch Kiraly ist kein guter Verlierer, sonst hätte er so etwas nicht gesagt. Vielleicht war er auch nur so knatschig, weil er das Verlieren nicht gewohnt ist. Dabei hatten seine Landsleute alles dafür getan, ihn zum Erfolg zu streicheln. Andere Spiele wurden vorverlegt, damit der König zwischen seinen Auftritten genügend Erholung findet und auf dem Center Court antreten kann. Genützt hat es nichts, ihm nicht und seinem Arbeitgeber, dem US-Profiverband (AVP) auch nicht. Zum erstenmal hatte sich dieser herabgelassen, mit dem internationalen Verband (FIVB) gemeinsame Sache zu machen. Normalerweise spielen die Amerikaner ihre Tour und der Rest der Welt seine. Zur WM hatte die AVP ihre Spieler dennoch geschickt, um zu demonstrieren, daß sie besser sind als alle anderen. Hat aber nicht geklappt, am Ende standen mit Guilherme und Para zwei Brasilianer ganz oben auf dem Treppchen, weil sie das Finale gegen Mike Whitmarsh und Canyon Cemen mit 5:12, 12:8, 12:10 gewannen. Auch bei den Frauen blieb den an Eins gesetzten Amerikanerinnen Lisa Arce und Holly McPeak nach dem 11:12, 12:1, 10:12 gegen Jackie Silva und Sandra Pires (Brasilien) nur Silber.
Einer wußte auch ganz genau warum. Das Feld sei anders, die Bälle auch und vor allem die Schiedsrichter, sagte Kiraly. „Aber so pfeifen und spielen sie eben auf ihrer Tour.“ In Atlanta ist er eigentlich noch ganz gut damit zurechtgekommen. Das Verlieren aber, soviel wurde zumindest deutlich in Los Angeles, muß Karch Kiraly noch lernen.
Noch etwas wurde deutlich bei der ersten WM: Der Boom scheint sich langsam im Sand zu verlaufen. Die TV-Ratings blieben unter den Erwartungen der Veranstalter, die Presse nahm die Veranstaltung kaum zur Kenntnis, und erst am Finaltag strömten die Zuschauer massenhaft. Für Organisator Leonard Armato war es trotzdem das „tolle Ende einer tollen Veranstaltung“. Aber: Das Meer war weit weg und das schuf Irritation. Nach dem hysterischen Höhepunkt bei den olympischen Spielen von Atlanta ist Normalität eingekehrt. Und das muß Beachvolleyball wohl noch lernen.
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