Attentate auf Gewerkschafter: Tod durch Engagement
Im Jahr 2006 sind weltweit mindestens 144 Gewerkschafter ermordet worden. Dies ermittelte der IGB. Demnach ist Kolumbien das gefährlichste Land.
BRÜSSEL afp/taz Wegen ihrer Gewerkschaftstätigkeit werden weltweit immer mehr Menschen ermordet. Wie der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) in einem am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Bericht über die Lage in 138 Ländern ausführt, wurden im vergangenen Jahr mindestens 144 Menschen aufgrund ihres gewerkschaftlichen Engagements getötet - gegenüber 115 im Jahr 2005. Rund 5000 Gewerkschaftsmitglieder wurden demnach 2006 wegen ihrer Teilnahme an Streiks oder Protestaktionen für den Schutz ihrer Rechte verhaftet, 500 wurden inhaftiert. Tausende andere wurden entlassen, manchmal nur deshalb, weil sie versucht hatten, eine Gewerkschaft zu gründen. In dem Jahresbericht heißt es weiter, es habe mehr als 800 Fälle von gewalttätigen Übergriffen oder Folter gegeben.
Kolumbien ist laut IGB für Gewerkschafter nach wie vor das gefährlichste Land. Die Regierung von Präsident Alvaro Uribe gebe Millionen Dollar für eine massive PR-Kampagne aus und schicke führende Regierungsvertreter ins Ausland, um zu verkünden, dass sich die Situation in Kolumbien verbessere. Doch das seien "Lügen", erklärte IGB-Generalsekräter Guy Ryder. "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihr Leben durch Gewerkschaftsarbeit verbessern wollen, werden nach wie vor unterdrückt und eingeschüchtert." Jüngsten Berichten zufolge wurden im letzten Jahr 84 Gewerkschaftsmitglieder in Kolumbien ermordet. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um zwanzig Prozent. Nach Graham Copp, von der Initiative: Gerechtigkeit für Kolumbien, wurden die Täter dieser Verbrechen wenig bis gar nicht verfolgt.
Auch einem früheren Bericht von Amnesty International zufolge, ist Kolumbien einer der gefährlichsten Orte für Gewerkschaftsaktivisten weltweit. Amnesty zählt zwischen 1991 und 2006 allein in Kolumbien 2.245 ermordete Gewerkschafter.
Carlos Rodriguez, Präsident des CUT bestätigt, dass es kein anderes Land in der Welt gibt, in der Gewerkschaftler solch eine Gewalt erfahren, wie in Kolumbien. Auch Ian Gibson, Mitglied des britischen Unterhauses, sieht die Entwicklung Kolumbiens als problematisch an. Für ihn ist das heutige Kolumbien vergleichbar mit dem Lateinamerika der 80er Jahre. In denen Banden aus dem extremen rechten Flügel jeden umbringen, der sich für die Menschenrechte einsetzt. Ian Gibson wirft der Regierung vor, dass sie die Gewerkschaftler schützen sollte, anstatt mit den Paramilitärs zusammenzuarbeiten.
Angriffe gegen Gewerkschafter gebe es nicht nur in den Entwicklungsländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens. Auch die Regierungen mehrerer Industrieländer hätten versucht, durch Änderungen der Arbeitsgesetze - Abschaffung oder Einschränkung des Rechts auf Tarifverhandlungen, des Streikrechts oder sogar der Organisationsfreiheit - die Gewerkschaftsrechte zu untergraben. In den USA seien Millionen Menschen ihres Organisationsrechts beraubt worden, weil die nationale Behörde für Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen (National Labour Relations Board) beschlossen habe, die Definition des Begriffs "leitender Angestellter" weiter zu fassen. Es gebe aber auch Anlass zur Hoffnung. Allen Schwierigkeiten zum Trotz engagierten sich weltweit Millionen Frauen und Männer für die Gewerkschaftsarbeit und für ihre Rechte.
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