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Attentat von BostonAnklage gegen Zarnajew erhoben

Gegen den schwer verletzten Terrorverdächtigen von Boston ist Anklage erhoben worden. Der Prozess soll vor einem zivilen Gericht stattfinden.

Es ist wieder ruhiger in Boston. Bild: dpa

BOSTON dpa/afp | Gegen den mutmaßlichen Attentäter von Boston ist Anklage erhoben worden. Dies sei dem 19-jährigen Dschochar Zarnajew im Krankenhaus eröffnet worden, teilte die Staatsanwaltschaft in der US-Ostküstenstadt am Montag mit. Der junge Mann soll gemeinsam mit seinem Bruder Tamerlan, der bei einer Verfolgungsjagd starb, die Anschläge auf den Boston-Marathon mit drei Toten vor einer Woche verübt haben.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, betonte, Zarnajew werde nicht als „feindlicher Kämpfer“ behandelt, wie dies von einigen Republikanern gefordert worden war. „Wir werden diesen Terroristen durch unser ziviles Justizsystem bestrafen“, sagte Carney. Er wies darauf hin, dass seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 das Justizsystem bewiesen habe, dass es der anhaltenden Bedrohung gewachsen sei.

Zuvor war der überlebende mutmaßliche Bombenattentäter des Boston Marathon nach Medienberichten am Sonntagabend (Ortszeit) im Krankenhaus aufgewacht. Dschochar Zarnajew antworte in seinem Krankenbett schriftlich auf Fragen der Ermittler, berichtete unter anderem die USA Today in ihrer Internetausgabe. Sie bezog sich auf anonyme Aussagen eines der Fahnder.

Zarnajew wird im Beth Israel Deaconess Medical Center von Boston unter anderem wegen einer schweren Schusswunde am Hals behandelt und kann nicht sprechen. Der 19-Jährige werde beatmet und stehe unter Beruhigungsmitteln. Zuvor hatte es geheißen, es könne noch Tage dauern, bis er vernehmungsfähig sei. Der TV-Sender ABC News meldete, die Ermittler konzentrierten sich bei ihrem ersten Verhör auf die Frage, ob es noch weitere Komplizen oder versteckte Sprengsätze gebe.

Fahnder der Bundespolizei FBI mutmaßten, dass der 19-Jährige sich die Schusswunde am Hals selber zugefügt haben könnte, um sich vor seiner Ergreifung durch die Polizei am Freitag das Leben zu nehmen. Zarnajew liegt unter schwerer Bewachung in der Klinik, in der auch elf der Opfer des Attentats vom vergangenen Montag liegen. Rund 40 weitere Verletzte werden noch immer in anderen Krankenhäusern der Stadt im Bundesstaat Massachusetts behandelt.

Todesstrafe droht

Der Verdächtige muss mit der Todesstrafe rechnen. Massachusetts hat sie zwar abgeschafft, die USA als Staat aber nicht. Der TV-Sender CNN zitierte einen Beamten aus dem Justizministerium mit den Worten, Zarnajew müsse sich wohl nach Bundesrecht wegen Terrorismus verantworten und nach Landesrecht wegen Mordes.

Streitpunkt war auch, ob Zarnajew bei seiner ersten Anhörung ein Recht zu schweigen oder auf einen Anwalt hatte. Das Justizministerium hatte vorläufig entschieden, ihn ohne diese sogenannten „Miranda-Rechte“ zu vernehmen. Eine Ausnahmeregelung macht dies möglich, wenn unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung besteht und der Festgenommene als „feindlicher Kämpfer“ identifiziert ist.

Die mutmaßlichen Bombenattentäter des Boston Marathons planten nach Auffassung der Ermittler womöglich noch weitere Anschläge. Wie der Bostoner Polizeichef Ed Davis am Sonntag dem TV-Sender CBS sagte, hätten die Beamten im Rahmen ihrer Verfolgung der beiden Brüder Tamerlan und Dschochar Zarnajew ein ganzes Arsenal hausgemachter Bomben und Materialien sichergestellt. „Wir haben auf Basis der gefundenen Beweise allen Grund zu der Annahme (...), dass sie noch weitere Menschen attackiert hätten“, so Davis. Bei dem Anschlag am vergangenen Montag waren drei Menschen getötet worden - unter ihnen ein achtjähriger Junge. Rund 180 Läufer und Zuschauer wurden verletzt.

Genau eine Woche nach dem Anschlag waren die Bewohner des US-Staates Massachusetts am Montag aufgerufen, der Opfer zu gedenken. Bostons Bürgermeister Thomas Menino und Gouverneur Deval Patrick riefen zu einer Schweigeminute um 20.50 Uhr (MESZ), dem Zeitpunkt der Explosionen, auf. Anschließend sollen in ganz Massachusetts die Kirchenglocken läuten.

Kontakt zu Dschihadisten?

Unterdessen rätseln die Ermittler, ob Zarnajew und sein getöteter Komplize und Bruder Tamerlan (26) Auftraggeber hinter sich hatten. Das FBI hatte Tamerlan 2011 als „radikalen Islamisten“ im Visier. Wie das FBI nach der Festnahme mitteilte, hatte die Bundespolizei ihn auf Wunsch einer ausländischen Regierung überprüft. Laut US-Medien bestätigte die Behörde inzwischen, dass es sich dabei um Russland gehandelt habe.

Das Ersuchen habe sich auf Informationen gestützt, wonach Tamerlan dem radikalen Islam anhänge und sich von 2010 an drastisch verändert habe. Zuletzt habe er Vorbereitungen getroffen, die USA zu verlassen, um sich Untergrundgruppen in Russland anzuschließen, hieß es. FBI-Agenten verhörten damals ihn und Familienangehörige.

Die Bundespolizei nahm ihre Untersuchungen allerdings nicht wieder auf, als Zarnajew im Sommer 2012 von einer sechsmonatigen Reise nach Dagestan und Tschetschenien in die USA zurückkehrte, wie Mitarbeiter einräumten. Nach Recherchen des investigativen Reporternetzwerks Pro Publica und der New York Times hatte sich Zarnajew nach seiner Rückkehr sichtbar radikalisiert. Auf der Internetplattform Youtube stellte er islamistische Videos ein. Wie CNN am Sonntag meldete, war darunter auch das Video eines tschetschenischen Dschihadisten. Unklar sei, ob es einen Kontakt zwischen beiden Männern gab.

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14 Kommentare

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  • BG
    Bernd Goldammer

    @von mehrdad:

    Ich glaube, hier kann Jemand sehr schlecht lesen und möchte trotzdem was schreiben. Wer Beweise sehen will hat längst noch keine Verschörungstheorie aufgestellt.Oder? Ein wirklicher Demokrat unterstellt so etwas ja auch nicht. Was also bist Du? Rotgrünbraun hast du bereits angezählt. Da bleibt nicht mehr viel...

  • M
    mehrdad

    krass, wie hier amerikahasser über die leichen der 3 opfer tanzen und ihren müll abladen.

     

    man hört von diesem menschenverachtenden pack nie verschwörungstheorien, die der iran, china, russland usw...betreffen, sondern nur ausschliesslich über usa und israel.

     

    daher ist einem normalen user auch klar, dass dieser verschwörungsmüll in eine rotbraungrüne tonne gehört.

  • N
    neutralo

    Fortsetzung: Das Anprangern von vorschnellen Medienurteilen und widersprüchlichen Meldungen ist doch keine V-Theorie. Nach dem aktuellen Stand soll der Bursche sich selbst in den Mund geschossen haben, nachdem seine schweren Verletzungen bis gestern noch von einem Schußwechsel (mit der Polizei?) stammen sollten. Während kritische Leser sich noch fragten, wie er so ramponiert überhaupt fliehen konnte, kam schon die neue These vom Mundschmuß. Den muß Zarnajew aber erst getan haben, als er sich schon im Schwitzkasten der Einsatzkräfte befand; seinem Bootsversteck ist er ja munter und ohne fremde Hilfe entstiegen, wie auf Zeitungsfotos zu sehen war. Und dann noch die zwei Berichtsvarianten darüber, was sein Versteck verraten haben soll: 1. die flatternde Plane, 2. die Blutspur. Das FBI habe "eine Million Fragen" - ja, die haben viele Leser/Zuschauer auch!

  • N
    neutralo

    Stimme teilweise mit B. Goldammer überein, so 'krude' ist das doch nicht. Gleich mehr dazu, erstmal testen ob's funkt.

  • BG
    Bernd Goldammer

    @von Teermaschine

    Es sind Menschen umgekommen. Ich will nichts weiter, als die wirklichen Täter vor Gericht sehen. Als rechtsstaatlicher Demokrat wird man deshalb vorhandene Beweise hinterfragen müssen. Zumal sich US-amerikanische Obrigkeiten schon mehrfach an der Wahrheit vergangen haben. Auf offener Weltbühne! Vielleicht wissen Sie von entsprechenden Eingeständnissen, sie standen auch in der TAZ. Auch deshalb zweifle ich die offizielle Darstellung im Moment an, ohne dass ich irgendetwas "Verschwörerisches" unterstelle. Glauben Sie doch was Sie wollen! Die gebotenen Beweise halten weder juristischen und journalistischen Grundsätzen stand. Weil eben auch die Art in der sie zu Stande gekommen sind zählt. Aber vielleicht werden sie ja noch geliefert? Das die westliche Presse gegenwärtig Gleichklang übt ist nicht zu übersehen. Darüber darf man in Deutschland wohl noch beunruhigt sein. Oder? Habe ich etwa eine „Demokratische Weiterentwicklung“ übersehen? Und noch was lieber guter Mann, ich weiß ja nicht was Sie rauchen, aber in meinem Text steht nichts über eine „krude Verschwörungstheorie“. Und auch von der "Neigung der Erdachse" ist da nichts zu lesen. Falls Sie soetwas gefühlt haben, hat das andere Ursachen. Trotzdem bin ich Ihnen dankbar! Schließlich kann nun Jeder lesen wie ärmlich es um Ihre Argumente bestellt ist. Gute Besserung.

    @von Dr. Manhattan

    Ob Sie es glauben oder nicht: Es gibt westliche Rechtsstaaten, in denen fragt die Polizei wirklich noch nach Beweisen, bevor sie Menschen heimsucht, verletzt oder gar erschießt. Kleiner Tipp: Über den aktuellen Zustand des Schwerverletzten kann man schon jetzt viel mehr erfahren, als in der TAZ steht. Dafür müsste man allerdings den Mut zum Zweifeln haben. Natürlich ist es viel leichter süffisant zu pöbeln. Schwamm drüber!

  • E
    emil

    das ist hochkultur auf ihrem höhepunkt. todkranke menschen gesund pflegen um sie anschließend umzubringen.

  • R
    reorient

    Teemaschine und Dr. Manhattan schaemen sich offenbar leider nicht, ich mich aber fuer sie.

  • I
    Irmi

    zu antares56: es ist nicht das selbe wenn zwei das gleiche tun.

    Das Leid und den Schmerz der Menschen die verletzt oder getötet wurden darf man nicht vergessen.

    Amerika konnte jetzt beweisen, wer uns verletzt hat mit allem zu rechnen.

    Der Junge wird jetzt aufgepeppelt, damit man ihn vorführen und dann töten kann. Ob der mehr tod als lebendig ist kümmert niemanden mehr, weil er in den Augen Amerikas jedes Recht verwirkt hat. Wenn er es wirklich war, dann hat er keine Rechte mehr, er hat ja auch nicht die Rechte der unschuldigen Menschen geachtet.

  • T
    Teermaschine

    Bernd Goldammer schämt sich für die aktuellen Zustände in den westlichen Zivilgesellschaften, die mediale Nichtbeachtung kruder Verschwörungstheorien...und die Neigung der Erdachse - noch was?

  • DM
    Dr. Manhattan

    @Bernd Goldammer: Der Platz für Märchen ist ja wohl hier in der Kommentarspalte und der liebe Onkel Bernd wird uns bestimmt schon bald ein neues neues erzählen vom tapferen Dschochar und seinem Kochtopf im Land der bösen Riesen.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Die unseriöse Eile verrät das amerikanische Justizministerium sofort. Zarnajew dürfte jetzt unter starkem Einfluss von Medikamenten stehen, und bei einem Selbstmordversuch per Mundschuss wird es sicher auch Probleme mit der Verständlichkeit seiner Sprache geben. Nimmt man ihm die Schmerzmittel dürfte das an juristisch- wertlose Foltergeständnisse erinnern. Irgendjemand scheint zu befürchten, dass er bald stirbt. Woher sonst die Eile? Das Gerede vom stabilen Zustand des Verdächtigen, den Polizei und Medien schon zum Täter umgedeutet haben, dürfte in diesem Zusammenhang auch eher suspekt wirken. Das bisher gewonnene Material eignet sich schon jetzt nur noch für TV-Märchenstunden. Doch frage ich mich inzwischen, ob die Wahrheit überhaupt gesucht wird? Man glaubt kaum noch an den Sinn journalistischer Ausbildungen, wenn diese Widersprüche nirgendwo nachlesbar sind. Massenaufputschung durch Halbwissen, wer hat das denn nötig? Dies sagt nur noch etwas über die aktuellen Zustände in den westlichen Zivilgesellschaften aus. Ich schäme mich dafür.

  • G
    GerdF

    AMPUTEE ACTORS USED IN BOSTON ?

    https://www.youtube.com/watch?v=6wpfGbvwEEw&feature=player_embedded

     

    Und was zeigten nochmal die bisherigen FBI Vidios von den bösen Taten des Zarnajew & Bruder?

     

    Ach ja und das FBI kannte die Brüder welche vom FBI überwacht wurden natürlich nicht.

    Da "FBI sucht Unbekannte", soetwas an geistiger Sonderleistung, runter geht wie Öl sind wir der "Demenz aus der Dose" schon ganz nah.

  • V
    viccy

    Mensch, das Bübchen wird doch auch mit Anwalt für schuldig befunden und zum Tode verurteilt oder allemal zum Verschmoren im Knast für die nächsten 60 Jahre. Warum lässt man ihm den Anwalt dann nicht?

  • A
    antares56

    Verlieren Angehörige der US-Truppen auch ihr Recht auf einen Anwalt nachdem sie Massaker verübt haben (wo auch immer)? Natürlich nicht!

    Es ist eben das Land der unbegrenzten Möglichkeiten - vor allen Dingen für den Staat.