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Attentat in South CarolinaTerror in der Kirche

Ein weißer Attentäter hat mehrere Menschen einer schwarzen Gemeindekirche getötet. Die Polizei spricht von einem Verbrechen aus Hass.

Ein kleiner Kreis hat sich in der Nähe des Tatortes zusammen gefunden, um zu beten Foto: reuters

NEW YORK taz | Mindestens neun Menschen sind tot. Weitere sind verletzt. Sie wurden Opfer eines weißen Attentäters mit offensichtlich rassistischen Motiven. Der rund 21 Jahre alte Mann in Blue Jeans platzte am Mittwochabend um 21 Uhr in die Bibelstunde der „Emanuel African Methodist Episcopal“ Kirche im Zentrum von Charleston in South Carolina und eröffnete das Feuer. Während in der Kirche Panik ausbrach, ergriff der Schütze die Flucht. Trotz eines großen Polizeiaufgebots ist er noch nicht gefangen. „Es war ein Hass-Verbrechen“, sagte der Chef der örtlichen Polizei, Greg Mullen, bei einer Pressekonferenz kurz vor 1 Uhr morgens, wenige Meter vom Tatort entfernt. Er bezeichnet den Täter als „sehr gefährlich“ und forderte die Anwohner und die Medien auf, potenzielle Hinweise an die Polizei weiterzugeben.

Der langjährige Bürgermeister von Charleston, der Demokrat Joseph P. Riley, sprach von einem „furchtbaren“ Mann, der das Verbrechen begangenen habe. Und betonte, es handle sich um einen einzelnen Verbrecher, gegen den die ganze Community zusammenrücken müsse. Der Polizeichef und der Bürgermeister sind weiß. Vor der Pressekonferenz haben sie mit Opfern und Angehörigen gesprochen. Direkt nach der Tat versammelten sich 50 Pastoren von umliegenden schwarzen Gemeinden vor der Kirche. Zu jeder vollen Stunde bildeten sie einen geschlossenen Kreis vor der Kirche und beteten. „Wir wollen Frieden“, sagten Pastoren im Laufe des Abends zu Journalisten, „und wir wollen die Community unterstützen“. Auch zahlreiche Politiker eilten an den Tatort.

„Wir sind es leid“

Während Pastoren und Politiker beruhigende Worte sagten, wurden sie wiederholt von wütenden Afroamerikanern unterbrochen. „Natürlich wissen wir, warum das passiert ist“, rief ein Mann: „Es passiert immer wieder. Wir sind es leid.“ Ein Pastor sagte: „Ich bete hier für Frieden. Aber ich weiß nicht, ob die Angehörigen der Toten das wollen.“

Die Geschichte der Emanuel AME Kirche geht zurück ins Jahr 1816, als verschiedene Gemeinden sich von Charlestons Methodistenkirche abgespalten haben. Sie ist die älteste afroamerikanische Gemeinde südlich von Baltimore. Zu ihren Anfangszeiten waren rein schwarze Kirchen noch verboten und die Gemeindemitglieder trafen sich heimlich. Die Kirche liegt im Bundesstaat South Carolina, der von Sklaverei und von Rassentrennung bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts geprägt wurde.

Bis heute operieren dort mehrere Gruppen des rassistischen Geheimbundes Ku Klux Klan: Die „Loyal White Knights of the Ku Klux Klan“ und die „Original Knight Riders Knights of the Ku Klux Klan“. Im August 2013 organisierten verschiedene KKK-Gruppen im Nachbarbundesstaat North Carolina eine Demonstration für die „White Power“.

Gouverneurin Haley hat Waffengesetze liberalisiert

Die Nachricht von dem Terror in der Kirche erinnert an ein anderes Verbrechen in einer Kirche, bei dem im September 1964, in den Anfängen der Bürgerrechtsbewegung, vier afroamerikanische Mädchen umkamen. Mitglieder des KKK hatten Dynamit in der „16th Street Baptist Church“ in Birmingham, Alabama, gelegt und es während der Sonntagsmesse gezündet.

Vor dem State House von South Carolina weht neuerdings wieder die Flagge der Confederates. Unter dieser Flagge kämpften die Truppen des Südens (wozu South Carolina gehörte) im Bürgerkrieg für den Erhalt der Sklaverei. Im Jahr 2010 hat South Carolina die aus dem Tea Party Umfeld kommende, radikal rechte Republikanerin Nikki Haley zur Gouverneurin gewählt. Haley rechtfertigt die Flagge vor dem State House. Haley sagt, sie sei politisch unproblematisch und niemand müsse sich deswegen Sorgen machen: „Kein Unternehmen hat sich wegen der Flagge aus South Carolina zurück gezogen“.

Am Mittwochabend, kurz nach den Schüssen in der Kirche, erklärte Gouverneurin Haley: „Wir werden nie verstehen, was jemanden dazu motiviert, in ein Gebetshaus zu gehen und das Leben von anderen zu nehmen“.

Unter Führung von Gouverneurin Haley hat South Carolina auch seine Waffengesetze liberalisiert. Im Mai 2013 verabschiedete die General Assembly des Bundesstaates eine Resolution, in der sie Schusswaffen- und Munitionsherstellern, die nach South Carolina umsiedeln wollten, garantierten, dass sie willkommen seien und keine gesetzgeberischen Aktionen fürchten müssen.

Für Donnerstag haben mehrere afroamerikanische Kirchen zu einer Mahnwache vor der Emanuel AME Kirche aufgerufen. „Wir wollen mit der ganzen Community beten“, sagte Norvell Goff, der Alterspräsident der Emanuel AME Kirche.

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18 Kommentare

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  • Nein, das ist selbstverständlich auch mit einem Revolver möglich. Denn mehr als ca. 20 Treffer/Minute werden praktisch nie erzielt.

    Mit einem Revolver sind auch problemlos 30-35 gezielte Schüsse/min möglich.

     

    Was die entspr. Mehrfachtötungen angeht, so gilt dort das Gleiche für die Analysen: Gesamtzahl der abgegebenen Schüsse korrelliert nicht mit Zahl der erzielten Treffer. Die größten Magazine haben übrigens mindestens zwei Delikte begrenzt, weil diese fats imemr Zuführungsstörungen bewirken.

    Für Kriegszwecke wurden lange Zeit 8er Magazine als ausreichend angesehen, der Unterscheid zu größeren Kapatzitäten ist marginal.

     

    Aber nochmal: Das Problem ist rechtlich nicht in den Griff zu bekommen. Wenn Sie bei bestimmte Waffentypen eine Art" Schwanzvergrößerung" vermuten, fällt das vorallem auf Sie zurück.

     

    Sie schätzen die Verfügbarkeit von Schusswaffen, wie viele, aufgrund fehlenden Wissens völlig falsch ein.

  • Jeder spricht jetzt von Amok, wäre der Täter Moslem, es wäre ein Terroranschlag

    • @Tenedor Alfonso:

      Mein Gedanke als die taz aufschlug und die Überschrift gelesen habe:

       

      THIS!

       

      Denn genau das ist es gewesen!

       

      Ein Terrorakt!

    • @Tenedor Alfonso:

      Geplante Delikte sind definitionsmßig nie "Amok" sondern einfach Mehrfachtötungen unklarer Genese.

  • Lassen wir einfach mal die unqualifizierte Erwähnung "Der Waffengesetzte" weg.

     

    Wie sind denn die Waffengesetze" im betroffenen county?

     

    Und welche Auswirkungen hat das kausal begründet auf die Delikthäufigkeit? Nirgends in den USA korrelliert der "Liberalitätsgrad" der lokalen Waffenrechtlichen bestimmungen mit der Delikthäufigkeit!

     

    Das Unverständnis in der Gemeinde rührt shclicht daher das sehr berechtigt nach den Motiven des Täters gefragt wird. Denn auch wenn Hoplophobiker es gern ausblenden: Der Täter fasst den Tatentschluss, setzt diesen um und qualifiziert dadruch das Tatmittel!

    Mehrfachtötungen mit unklarer Genese finden statt weil jemad das will! Dafür wird ja auch der Täter, nicht das Tatmittel verurteilt. Jedenfalls in der nachmittelalterlichen Rechtssprechung.

    • @KarlM:

      Diese Studie hier sieht das anders: http://ajph.aphapublications.org/doi/abs/10.2105/AJPH.2013.301409?prevSearch=[Contrib%3A+Siegel]&searchHistoryKey=&

      In den Absätzen "Results/Conclusion" steht das wenig überraschende Ergebnis.

      Und um auf das polemische "nachmittelalterlich" einzugehen: Anscheinend hat die Geschichte den meisten modernen, zivilisierten Gesellschaften gelehrt, dass es besser für alle ist, wenn Waffenbesitz die Ausnahme bleibt. Ich find das gut so. Sie auch?

      Übrigens sind die meisten Tötungsdelikte Affekthandlungen, und da macht es eben einen Unterschied ob man den ganzen Tag mit ner Wumme rumläuft/rumlaufen kann oder in der Jackentasche sich bloß Pfefferspray, Zigarren Guillotine und ein Bleistiftstummel befinden.

      • @enzo:

        Die Studie ist leider Unfug, da das Wichtigste fehlt. Steht ja schon im Abstract, es wurde KEINE Kausalitätsanalyse vorgenommen! Damit Irrelevant.

         

        Und nein lt. FBI-Statistik sind die Masse der SW-Delikte "intentional"

         

        Bei 30000 SW Toten sind 2/3 Suizide vom Rest sind. über lange Jahre stabil, ca 96% milieugebundene Delikte die den Rest der Gesellschaft nicht betreffen.

         

        Ansonsten scheinen Sie leicht hoplophob, schaue ich mir die europ. Geschichte der letzten 100 Jahre an, so sollten Staaten keine Waffen besitzen, oder doch?

         

        Ich sehe keinen Widerspruch im Recht auf legalen privaten Waffenbsitz in einer modernen Ziviligesellschaft.

        • @KarlM:

          Ja, bei ersterem gebe ich Ihnen Recht, Kausalität ist nicht gleich Korrelation. Trotzdem stellt die Studie eine "robuste Korrelation" fest, schließt damit aus, dass steigender Waffenbesitz zu sinkendem Waffenmissbrauch führt. Kein Grund, gleich ein pseudowissenschaftliches Pejorativum "hoplophob" anzubringen. Phobiker sind die, die aus irrationaler Angst ein privates Waffenarsenal anlegen, davon scheint es viele in den USA zu geben (Verteidigen! Gegen? Kommunisten, Schwarze, Moslems, den Staat!) Apropos Staat: Revolutionen einer unbewaffneten Bevölkerung gegen einen bewaffneten Staat haben die meisten freien Staaten hervogebracht (1989!). Umgekehrt führen bewaffnete Revolutionen häufig direkt in den Bürgerkrieg.

          • @enzo:

            Ohne Kausalitätsnachweis ist das keine Wissenschaft, sondern bleibt reine Spekulation und Zeitverschwendung.

             

            Die Beispiele über die man offenkundig lachen muss, weil nur mit Korrelationen argumentiert wird, sind Legion.

             

            Und genau solche Defizite sind ein Grund -spekulativ- anzunehmen, das hier Meinung aufgrund von nicht belegbarer Kausalität ein Gewicht erhalten soll, das dieser Meinung nicht zukommt.

            Und zu den USA: Die Masse der SW-Delikte wird von Personen begangen die keine SW besitzen dürfen. Bundesstaatenweise ist nämlich keine "starke Korrelation" zwischen Legalwaffenbesitz und Straftaten auszumachen. Von einem nachgewiesenen Kausalzusammenhang ganz zu schweigen.

  • Nach den alljährlichen Schul- und Uni-Massakern kommt ebenso regelmäßig der typisch amerikanische Vorschlag, einfach alle Lehrer und sonstiges Schulpersonal zu bewaffnen, dann könnte so etwas nicht mehr passieren, zumindest wären die Täter dann schneller außer Gefecht gesetzt.

     

    Demnächst wird also der Vorschlag kommen, Pfarrer (und Messdiener?) sollten bewaffnet sein, um solche Leute zu stoppen.

     

    Die NRA und ihre Getreuen wie Gouverneurin Haley werden aber wohl erst Ruhe geben, wenn ALLE Amerikaner bewaffnet sind und die amerikanische Geburtsurkunde gleichzeitig als Waffenschein anerkannt wird - das spart Bürokratie...

    • @HP Remmler:

      Sehen Sie eine Möglichkeit ausßerhalb hoplophober Einalssungen auch konstruktive Beiträge zu verfassen?

       

      Solche Mehrfachtötungen finden praktisch immer in "gubn-free" zones statt. Das ist nicht nur in dne USA so und es gibt Länder die genau mit dieser Strategie erfolgreich sind: Teilweise bewaffnetes Personal und wechselnde Präsenz verdeckt handelnder Spezialeinheiten der Polizei. Hilft.

       

      Wer hier als kriminologischer Laie die Tatmittel verantwortlich macht, hat nichts verstanden. Ist aber einfacher als sich mit der Materie eingehend zu befassen!

      • @KarlM:

        Dass ich kriminologischer Laie bin, kann ich nicht bestreiten, dass ich die Tatmittel für die Tat verantwortlich mache, wäre mir allerdings neu. Wenn überhaupt, mache ich die politisch gewollte, nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit der "Tatmittel" mitverantwortlich. Dass Taten am Ende von Tätern und nicht von "Tatmitteln" verübt werden, ist mir nicht entgangen. Wenn das "hoplophob" ist (an dem Begriff scheinen Sie einen Narren gefressen zu haben), meinetwegen.

        • @HP Remmler:

          Dann formulieren Sie präziser.

           

          Denn so wie Sie es darlegen, geht die Motivation zur Tat vom Tatmittel aus.

           

          Im Übrigen schätzen Sie die Verfügbarkeit von Schusswaffen ziemlich falsch ein. Wie die meisten Menschen die sich mit der resultierenden Problematik nicht zwingend auseinandersetzen wollen

          • @KarlM:

            Denken Sie denn, der Täter hätte seinen Opfern sonst auch mit einem Knüppel den Kopf eingeschlagen?

            • @negramaro:

              ? Keine Ahnung wozu weiße Überlegenheitsarier &Co so fähig sind.

               

              Aber auch für Sie nochmal:

               

              War der Täter krank, hätte er keine SWerhalten dürfen.

              • @KarlM:

                Und wenn der Täter jetzt aber nicht krank sondern einfach nur Hassbesessen ist?

          • @KarlM:

            „Tatmittel“. Auch so ein abstrakter Euphemismus. Beim Substanzmissbrauch geht es zun Beispiel um das Dreieck Persönlichkeitsstruktur, Soziales Umfeld und eben potente, suchterzeugende Substanz. Crystal Meth, Crack, Heroin, Alkohol sind nun einmal potenter als Zigaretten oder Cannabis. Allein die Verfügbarkeit einer Glock und einen Haufen von Magazinen zum Nachladen ist so eine Sache. Mit einem Taschenmesser oder auch einem Revolver wäre das so nicht möglich gewesen, und die würden vielleicht auch nicht bestimmte Tatphantasien befördern. Wenn Sie die Amokläufe der letzten Jahre analysieren, kommen Sie an halbautomatische Waffen mit großer Magazinkapazität nicht vorbei. Zur Selbstverteidigung reicht ein Smith&Wesson 637 Wyatt deep cover aus. Dazu braucht es keine Glock. Glock und AR Bushmaster sind da schon für bestimmte Leute eben eine Art Crystal Meth. Und das kann man nicht einfach außer Acht lassen. Beim Geschäft mit diesen Waffen nimmt man billigend in Kauf, dass so etwas passiert. Und das ist der springende Punkt. Dass Pfarrer eben bewaffnet zur Bibelstunde gehen müssen, hört sich in meinen Augen nach krasser, schwärzester Comedy an. Ich bin froh, nicht in einem Land zu leben, wo ein Vater seinem Sohn mal eben eine Glock zum Geburtstag kaufen kann.