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Attentat auf PräsidentschaftskandidatDrei Schüsse auf die Pressefreiheit

Mit dem Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio ist in Ecuador auch ein investigativer Journalist ermordet worden.

Menschen trauern am Sarg von Fernando Villavicencio Foto: Henry Romero/reuters

„Ecuador ist ein gescheiterter Staat“, erklärte der indigene Präsidentschaftskandidat Yaku Pérez nach dem tödlichen Attentat am Mittwoch auf seinen Konkurrenten Fernando Villavicencio. Er ließ seine Wahlkampagne ruhen und suchte den Kontakt zu den anderen Kandidat:innen. Pérez wirbt für einen Minimalkonsens – im Andenken an Villavicencios Kampf gegen Korruption. Für diesen wird nun seine Vize-Kandidatin, die Umweltaktivistin und Hochschuldozentin Andrea González Náder, bei der Wahl nächstes Wochenende ins Rennen gehen.

Villavicencio war ein Mann, der dank seiner investigativen Recherchen, vor allem im hochkorrupten Ölsektor, alles andere als beliebt bei den Eliten war. „15 Milliarden US-Dollar wurden in den letzten zehn Jahren allein an Bestechungsgeldern von Förder- und Logistikunternehmen gezahlt“, berichtet Esperanza Martínez, Gründungsmitglied der kritischen Umwelt-NGO Acción Ecológica. Villavicencio hatte über Jahrzehnte die Korruption verschiedener Regierungen angezeigt.

Er studierte Journalismus und Kommunikation an der Kooperativen Universität von Kolumbien, machte seine ersten journalistischen Erfahrungen bei El Universo in Guayaquil, der ökonomischen Drehscheibe des Landes. Da musste er bereits lernen, mit Angriffen und Diffamierungen zu leben, denn seine kritischen Artikel stießen bei der Elite in der konservativen Drei-Millionen- Stadt auf Gegenwind. Die Beiträge Villavicencios waren aber gut recherchiert und er bewies früh Rückgrat. Der Mann aus der ecuadorianischen Andenstadt Alausí wuchs in ländlichen Verhältnissen auf und knüpfte Kontakte zu indigenen Gemeinden.

Pressefreiheit von vielen Seiten bedroht

Er gehört zu den Gründern der indigenen Partei Pachakutik und engagierte sich in der Gewerkschaft der Erdölarbeiter (Fetrapec), nachdem er 1996 in die Presseabteilung des staatlichen Erdölunternehmens Petro­ecuador eintrat. Er lernte Förderstrukturen, Auftragsvergabe und Umgang mit der vorwiegend indigenen Bevölkerung in Ecua­dors Amazonasregion kennen und kritisieren. Das war prägend für den Journalisten und später auch den Abgeordneten Villavicencio. Bis zum 17. Mai war er Mitglied des dann aufgelösten Parlaments. Villavicencio, der laut einer Umfrage auf Platz zwei stand, engagierte sich auch für Gesetzesvorlagen für die Pressefreiheit.

Um die steht es nicht gut und dafür sind nicht nur die Kartelle im Land verantwortlich. Die tragen dazu bei, dass Selbstzensur Realität in vielen Redaktionen ist – das Schrei­ben über Organisierte Kriminalität, so zum Beispiel über die beiden konkurrierenden Banden „Los Choneros“ und „Los Lobos“, die beide den Mord für sich reklamieren, ist riskant.

Letztes Beispiel: Nach etlichen Morddrohungen verließen Mónica Velásquez und Andersson Boscán vom digitalen Medium La Posta Ende Juli Ecuador. Druck gibt es aber auch von anderer Seite, viele Medien hängen von den Werbe-Anzeigen der Regierung ab – und schreiben ihr oft nach dem Mund: oficialismo heißt das. Unabhängige, kritische Medien haben es schwer in Ecuador.

Die ecuadorianische Pressefreiheits-Organisation Fundamedios hat für 2022 356 Angriffe auf die Pressefreiheit registriert – die höchste Zahl seit 2018. Der brutale Mord an Villa­vicencio rückt diese Hintergründe nun in den Fokus.

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