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Attac und die FinanzkriseDie Krise frisst ihre Mahner

Als viele noch an wundersame Geldvermehrung auf den Finanzmärkten glaubten, forderten Globalisierungskritiker mehr Regulierung. Jetzt ist der Kollaps da - aber um Attac ist es seltsam still.

Der Protest wird leiser: Attac-Aktivisten in der Frankfurter Börse. Bild: ap

Seit Jahr und Tag haben die Globalisierungskritiker von Attac vor einer Verselbstständigung der Finanzmärkte gewarnt. Und sie haben Recht behalten. Mindestens. Was empfinden sie jetzt, wo die Krise da ist? Genugtuung darüber, dass sich die Warnungen bewahrheitet haben? Zuversicht, nun besser Gehör zu finden? Nein. Stattdessen dominiert etwas anderes: Ratlosigkeit.

Als "Sieg, aus dem wir keinen Profit schlagen", beschreibt Peter Wahl, Mitgründer der deutschen Sektion von Attac und Experte bei der Nichtregierungsorganisation Weed (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung) den Gemütszustand bei den Globalisierungskritikern. "Wir befinden uns in einer historischen Konstellation, die das gesamte Weltgefüge verändern wird", sagt er. Aber da die kommenden Entwicklungen schwer abzuschätzen seien, tue man sich schwer mit Reaktionen.

Dabei war die Regulierung der Finanzmärkte das erklärte Ziel, als Attac vor zehn Jahren in Frankreich gegründet wurde. Die Forderung nach der Tobin-Steuer, einer weltweiten Steuer auf Devisengeschäfte, wurde sogar im Namen aufgegriffen. Inzwischen spielt die Tobin-Steuer bei Attac keine zentrale Rolle mehr; sie hätte die gegenwärtige Krise ohnehin nicht verhindert. Dafür diskutieren die politisch Verantwortlichen nun ernsthaft viele Forderungen aus dem Attac-Katalog: die Erweiterung der Tobin-Steuer auf alle Finanztransaktionen, die Trockenlegung der Steueroasen oder demokratische Kontrollen - all diese Dinge sind im Gespräch. Aber nicht die Globalisierungskritiker.

"Uns ist das Wissen abhanden gekommen", sagt Pedram Shahyar, Mitglied im Koordinierungskreis der deutschen Attac-Sektion. Die "ökonomische Alphabetisierung" habe zwar von Beginn an zur Hauptaufgabe des globalisierungskritischen Netzwerks gehört. "Wenn die große Mehrheit die Ursachen und Folgen der aktuellen Finanzkrise nicht versteht - warum soll es bei Attac grundsätzlich anders sein?", fragt Shahyar.

Dabei ist es gar nicht so, dass die Attac-Leute untätig zu Hause säßen. Ende Oktober gelang es zwei Dutzend Aktivisten, in den Saal der Frankfurter Börse einzudringen. Immerhin für einige Minuten musste der Handel ausgesetzt werden, weil die Demonstranten die Dax-Anzeigetafel mit einem Transparent mit der Aufschrift "Finanzmärkte entwaffnen! Mensch und Umwelt vor Shareholder-Value!" verdeckten.

Für die Abendnachrichten reichte diese Stand-up-Aktion. Massenmobilisierungen aber waren nicht drin. Zur Protestkundgebung vor dem Bundesfinanzministerium in Berlin am Weltspartag eine Woche darauf kamen gerade einmal 1.500 Teilnehmer - zu wenig, um politischen Druck auszuüben.

Das Ausbleiben des Protests überrascht Shahyar nicht. Auf tiefe gesellschaftliche Krisen reagierten die Menschen zunächst gelähmt. Es dauere, bis aus dem Schockzustand Wut entstehe und die Menschen auf die Straße gingen. Für Shahyar wäre es denn auch "blinder Aktionismus", wenn Attac jetzt zu Großdemonstrationen aufrufen würde.

Zuvor müsste Attac ohnehin klären, für oder gegen was man überhaupt demonstrieren will. Auf dem "Attac-Ratschlag" Mitte Oktober in Düsseldorf wurde deutlich, wie weit die Vorstellungen auseinandergehen. Einige Aktivisten plädierten dafür, dass sich das Netzwerk an der Debatte über die Neuordnung der Finanzarchitektur mit konkreten Vorschlägen beteiligt, weil man anderfalls Glaubwürdigkeit verliere. Andere sahen nun die Zeit gekommen, das kapitalistische System als Ganzes infrage zu stellen.

Während der eine Teil nach mehr Regulierung und Kontrolle auf den Finanzmärkten ruft, tut sich der andere Teil schwer damit, mehr Staat zu fordern. Verstaatlichung bedeute nicht automatisch mehr Mitbestimmung oder Gerechtigkeit, sagt Shahyar, der zum linken Flügel gehört. "Wenn wir das fordern, sind wir nichts anderes als eine Beraterorganisation für die Regierung."

Für Attac-Vordenker Alexis Passadakis ist das kein Widerspruch: Es brauche in der Gesellschaft grundsätzliche andere Formen von Demokratie, sagt er. Aber ebenso sei klar, dass man zur Regulierung den Staatsapparat benötige. Er sieht in der derzeitigen Krise eine Chance, "da durch sie der öffentliche Raum für linke Argumente größer geworden" sei. Hohe Erwartungen verknüpft er mit dem Kapitalismuskongress, den Attac im Frühjahr vorgesehen hat.

Konkrete Vorschläge werden auch von anderer Seite eifrig eingebracht: Sven Giegold, ebenfalls Attac-Mitgründer, nun aber vor allem bei den Grünen tätig, ringt organisations- und parteiübergreifend um Unterstützung für den so genannten "Green New Deal". Gemeint ist damit ein staatliches Investitionsprogramm in erneuerbare Energien, das zugleich die Teilverstaatlichung von in Not geratenen Banken vorsieht, die Managergehälter beschränken soll und eine deutliche Anhebung des Hartz-IV-Satzes beinhaltet. Umwelt, Klima, Finanzmarkt und Soziales - alles zusammen. Dem ist auch Werner Rätz vom linken Attac-Flügel nicht abgeneigt. Diese Debatte könne Basis für eine gemeinsame Krisenlösungsstrategie sein.

Allzu lange soll die Findungsphase nicht dauern. Auf europäischer Ebene bereiten sich die sozialen Bewegungen bereits auf Massenproteste gegen den G-20-Gipfel Anfang März in London vor. Und den will sich Attac nicht entgehen lassen.

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7 Kommentare

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  • RK
    Rüdiger Kalupner

    an @clueless:

    Schon 'mal was von der Herrschaft des Rumpelstilzchen gehört - einer geheimen Wissensherrschaft, die die formale Herrschaftsspitze gekauft hat und seitdem die Zukunft des Landes unerkannt dominiert wie ein Absolutist? Das deutsche Rumpelstilzchen existiert. Wir müssen nur seine Existenz und seine Steuerungsstruktur und samt Steuerungs-Instrumente und -Tricks erkennen. An der Vorherrschaft der Kapitalstockinteressen gibt es doch keinerlei Zweifel. Aber wer durchschaut und veröffentlicht die Tricks des deutschen Rumpelstilzchens?

     

    Der IGM-Vorstand zittert vor dem Tag, an dem alles 'raus kommt, was er mit den SiemensAG-Vorständen da treibt und getrieben hat - in Richtung Wachstumszwang-vom-Typ- High-Tech-Kapitalstockmaximierung. Mit steigenden Bruttoarbeitskosten und fallenden, bzw. nicht-steigenden Konkurrenz- und Nichtarbeitsfaktor-Kosten (= Energie- und Sachkapitaleinsatz) kann man beliebig den Kapitalstock in die Höhe treiben und die Zinseinkünfte für's Kapital auch, die für dieses Investment anfallen. Der Trick, die IGM-Vorstände zum Teil des Rumpelstilzchenclan zu machen, ist genial, und jeder Linker, der die volkswirtschaftlichen Trivialzusammenhänge nicht kapiert, beweist nur die seit Jahrzehnten wirksame Trickgenialität.

     

    Wegen dieser machtpolitischen Strukturgenialität des deutschen Rumpelstilzchens, das nach meiner Erfahrung (ich war 17 Jahre Siemens- und IGM-Mitglied und 3 Jahre freigestellter BR bei Siemens in Erlangen) vom Siemens-IGM-Vorstand gemanagt wird, ist es auch so leicht, es mittels EPIKUR-Lohn zu stürzen. Der EPIKUR-Lohn dreht die Kostenschere für die Produktionsfaktoren um - und der Investitions-, Export- und Konsumsteigerungs-Druck verschwindet (= Terror der Ökonomie), der das Wirtschafts- und Machtsystem vor der steigenden Massenarbeitslosigkeit und damit vor dem finanziellen Zusammenbruch bisher gerettet hat.

     

    Wer googelt der wird die Existenz des deutsöchen Rumpelstilzchen wahrnehmen.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    @WOMAN

    Was regen Sie sich so auf?

     

    Die Dinge liegen doch für jeden klar: Attac hat versagt.

     

    Wer in einer welthistorischen Systemkrise u n d vor einer Bifurkation des weltindustriellen Fortschrittsprozess sich eingesteht, ratlos zu sein, der sollte diesen seinen Mangel nicht mit Kleinst-Projekten überspielen wollen. Attac war eine Hoffnung unter der Überschrift 'Eine andere Welt ist möglich'. Mit der Finanz- und Wachstumszwang-Systemkrise ist die Menschheit in eine vorrevolutionäre Phase eingetreten, in der diese 'andere Welt' auf evolutionsprozess-logischen Wegen in die Realität kommen wird. Das hätte die Stunde von Attac sein können. Ist es aber nicht.

     

    Wie konnte es geschehen, dass die Attac-Führung heute so ratlos dasteht? Was hat seine deutsche Führung versäumt? Klare Antwort: Sie hat die geistige Herausforderung, der den 'Andere-Welt'-Anspruch einlösen könnte, ignoriert, hat nicht nach globalen, theoretischen wie evolutionsprozess-logischen Projektansätzen gesucht, und sogar vorhandene zur Kenntnis genommen und dann totgeschwiegen.

     

    Die theoretische und analytische und projektlose Ratlosigkeit ist keine zufällige, sondern eine strategisch wohlüberlegte, bewußt in Kauf genommene Lage.

     

    Attac ist übrigens nicht die erste Andere-Welt-Hoffnungs-Bewegung, die ihre Aufgabe bewußt auf den Level von Mitgliederwerbung und Kleinstprojekt-Aktionismus heruntergefahren hat, deren macht- und organisations-politische Hintergründe nur noch nicht offen liegen.

  • C
    clueless

    @ Rüdiger K.: Also die Behauptungen die du hier aufstellst sind wirklich abenteuerhaft! IGM u. Siemens ein Tarifkartell?? Hat Siemens deshalb die AUB gegründet u. finanziert?? Kontrollieren IGM u. Siemens jetzt die Gesamtwirtschaft u. im speziellen die Finanzwirtschaft? Mit wem soll Verdi ein Tarifkartell haben? Verdi muss doch froh sein, wenn sie (aufgrund fehlender Mitglieder, dank angeblich "linker Leute" wie dir die die linken Organsationen schlecht machen) überhaupt Tarifverträge durchsetzen können (siehe Einzelhandel).

     

    Des weiteren führt du in keinster Weise aus, wie ein EPIKUR-Lohn den Wachstumszwang aufheben könnte. Dies ist nämlich leider auch nicht möglich(ein EPIKUR-Lohn mildert nur die Auswirkungen eines solchen Systems) auflösen kann es allein die Umstrukturierung des Zins (heißt "Strafzinsen" auf Sparguthaben, "Belohnungszinsen" auf Kredite).

  • L
    L.A.WOMAN

    Liebe RedakteurInnen!

     

    Wenn ihr schon Kommentare verstümmelt, dann richtig:

     

    Dieses erwähnte Projekt zu erneuerbaren Energien mit dem Zitat kommt durch Eure Kürzung missverständlich an. Den Hinweis zu der Studie habt ihr ganz weggelassen.

     

    Ich habe aus dem Interview zitiert, und die Zitatkennung ist durch das Kürzen der taz auch noch entfallen!

    Außerdem würde ich gern wissen, warum ihr den Hinweis auf den Kongress von attac auch herausgenommen habt!

     

     

    Interessant ist, wie ausführlich ihr den Kommentar von @Kalupner- offensichtlich ungekürzt - bringt, worin er attac in eine von großen Organisation finanzierte Ecke stellt.

    Absurder geht es schon gar nicht mehr.

    Es geht offensichtlich eine Urangst um:

     

    Es geht um unserer mühsam erspekulierten Milliarden. Die zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt!

    >Abänderung des 1. Artikels im Grundgesetz passend gemacht auf unsere Regierungsmaxime.

     

     

     

    ****Anmerkung der Redaktion: Wir behalten uns vor, Links mit Veranstaltungshinweisen oder Eigenwerbung zu entfernen.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    'Finanzkrise frißt ihre Mahner' - und das ist gut so. Das sollte für alle evolutionsprozess-blinden Kritiker des 'Kapitalismus' gelten und hat auch so gewirkt, weil diese noch nicht kapiert haben, 1. dass dieser 'Kapitalismus' ein Wachstumszwang-Absolutismus vom Typ High-Tech-Kapitalstockmaximererei ist, 2. dass dieser sich in Deutschland des Metalltarif-Kartells (= IGM- und SiemensAG-Vorstände als Geschäftsführung) bedient, um sich mit dem Mittel der stetigen Steigerung der Bruttoarbeitskosten (= Tariflohn- und Sozialleistungkosten-Anstieg) am Leben zu erhalten, 3. dass es mit dem EPIKUR-Lohn (= energie- und sachkapitalsteuer-finanziertes Zweit einkommen für Jedermann) den genialen Hebel zum Sturz des Wachstumszwang-Regimes gibt.

     

    Die attac-Spitzen wollen diese Erkenntnisse nicht zur Kenntnis nehmen oder öffentlich diskutieren, obwohl sie sehr gut informiert wurden und sind. Ganz systematisch wird der einzig funktionierende, weil systemstürzender Evolutionsprojektansatz tabuisiert. Grund: Ihre Abhängigkeiten/Verbindung zum Verdi- und zum Metalltarifkartell sind zu eng. Sie zwingen Attac unter das Regime Wachstumszwang-Absolutismus. Die Attac-Spitzen wissen, dass mit der Diskussion des Evolutionsprojektansatzes die Daseinsberechtigung der Organisation wegfallen wird. Lieber fällt man in die Unbedeutendheit als dass man sich auflösen will.

     

    Deshalb ist es gut, wenn dieses links-kritische Anhängsel des Wachstumszwang-Regime in der sich aufbauenden Wirtschafts- und Gesellschafts-Krise keine Rolle spielen wird.

  • L
    L.A.WOMAN

    Ist schon dreist, diese Einschätzung der taz:

     

    Die attac-Aktionen:

    - werden nicht oder kaum erwähnt

    die attac-Pressemitteilungen:

    - werden nicht zitiert

     

    die attac-Bildnachrichten

    - erscheinen nicht

     

    die TV-Diskussionen - mit attac-Mitglied und Grünen-Mitglied Sven Giegold

    - finden keine Erwähnung

     

    wo:

     

    in der taz

     

    zugegeben, die anderen Medien sind auch nicht besser

    ausgenommen jw - ab und zu

    aber wesentlich häufiger publiziert als in der taz.

    Mir bietet sich ein ganz anderes Bild:

     

    Ebenso hat ein attac-Mitglied ein Projekt koordiniert

    zu erneuerbaren Energien und offensichtlich erfolgreich

    Arbeitslose vermittelt:

     

    Auszug aus Interview (auch nicht in der taz):

     

    "Wir führten zum Beispiel bei einigen Teilnehmerinnen der Kurse und Potenzialanalysen durch, die deren vielfältige Kompetenzen deutlich aufzeigten. Einige Frauen wagten im Laufe des Projekts den Schritt in diese Branche und arbeiten heute in teilweise exponierten Positionen.

     

    Clara Luckmann:

    Zu wünschen ist, dass die Studie vielen Frauen umsetzbare Hilfen bietet,

    aber auch bei den vermittelnden Institutionen Wirkung zeigt.

     

    Also, es gibt nicht nur Geißler, den Propagandisten der CDU

    auf dem Rücken von attac, und auf der Pro Kapital-Seite die hochbezahlten ""Experten"" (aus öffentlichen Geldern) wie den Prof. Sinn, und den (Honorar) Prof. Hüther, die mit ihrer beinahe täglich publizierten Ideologie dazu beitragen, dass Menschen in prekäre Beschäftigungen abgeschoben werden. Auch unternehmen sie nichts, um der Finanzkrise Herr zu werden, geschweige denn, die Besteuerung der Großverdiener gerechter zu gestalten und die Märkte mit Gesetzen zu regulieren.

  • D
    datensatz

    gras wurzel minus eins

    pfuinanzkrise