Atomtreffen im Kanzleramt: Sieben Meiler gehen vom Netz
Kanzlerin Merkel will vorübergehend sieben deutsche AKWs abschalten und die restlichen überprüfen lassen. Bis zum 15. Juni sollen alle Sicherheitsfragen beantwortet werden.
BERLIN dpa | Angesichts der Atomkrise in Japan werden die sieben ältesten Kernkraftwerke in Deutschland vorübergehend abgeschaltet. Darauf hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag mit den betroffenen Ländern verständigt. "Sicherheit ist das, was in allen Betrachtungen Vorrang hat", sagte Merkel nach dem Spitzentreffen mit den Länderchefs, an dem auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) teilnahmen. Während der zunächst dreimonatigen Abschaltung solle die Sicherheit der Anlagen umfassend geprüft werden. Der Ausbau erneuerbarer Energien solle nun forciert werden.
Die vorübergehende Abschaltung betrifft die vor 1980 gebauten AKWs Neckarwestheim I, Philippsburg I (Baden-Württemberg), Biblis A und B (Hessen), Isar I (Bayern), Unterweser (Niedersachsen) und das ohnehin stillstehende AKW Brunsbüttel (Schleswig-Holstein). Zudem bleibt das 1983 ans Netz gegangene und nach Pannen abgeschaltete AKW Krümmel in Schleswig-Holstein vom Netz getrennt. Damit werden in Deutschland in den nächsten drei Monaten nur noch neun Atomkraftwerke Strom liefern.
Während dieser Phase wird die im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung ausgesetzt. Merkel sagte, die vorübergehende Abschaltung der sieben Atomkraftwerke werde rechtlich als "staatliche Anordnung aus Sicherheitsgründen" umgesetzt. Wegen des Umfangs seien die Überprüfungen zudem am besten in einer Nichtbetriebsphase der Kraftwerke zu gewährleisten.
Bund und Länder berufen sich bei der vorübergehenden Abschaltung auf eine Notsituation nach Paragraf 19, Absatz 3, Ziffer 3 des seit 1. Januar 2011 geltenden reformierten Atomgesetzes, wie Röttgen erläuterte. Das Gesetz gebe entsprechende Möglichkeiten. "Das ist das Gebot äußerster Vorsorge", sagte Röttgen. "Davon machen wir Gebrauch."
Die Runde werde sich am Dienstag kommender Woche erneut treffen, um Details zu klären. "Am Dienstag wird sich entfalten, wie das Moratorium ausgestaltet wird", sagte Merkel. "Dann werden wir sicher jeden Tag, oder jeden zweiten Tag, was zu tun haben." In weiteren Treffen werde es darum gehen, die Energiewende hin zu erneuerbaren Quellen zu forcieren.
Die Kanzlerin sprach mit Blick auf die Atomkrise in Japan von einer "Zäsur in der Geschichte der technisierten Welt". Sie betonte, dass dies Anlass sei, die Dinge zu überprüfen, unabhängig von der Frage, ob man im Wahlkampf stehe. Der Austritt von Radioaktivität in Folge des Erdbebens und des Tsunamis habe gezeigt, dass die "Auslegung des Kraftwerks auf die Naturgewalten nicht ausreichend war".
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte: "Damit haben wir die richtigen Antworten gegeben auf die Zäsur, die durch Japan zweifelsohne entstanden ist." Besonders wichtig sei für ihn die Verbindung der Maximierung der Sicherheit, Beschleunigung der Energiewende und Internationalisierung der Sicherheitsdiskussion.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte, man müsse jetzt mit den Betreibern über die Modalitäten sprechen. In seinem Land seien zwei der drei Reaktoren abgeschaltet und es werde keiner wieder ans Netz gehen, der nicht sicher sei. Wer ja sage zu regenerativen Energien, müsse auch ja sagen zum Netzausbau. Brüderle wies darauf hin, dass sich die Abschaltungen auf die Energie-Preise auswirkten.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) betonte, es gehe bei dem gemeinsamen Beschluss nicht um die bevorstehende Landtagswahl. "Ich mache keine Kehrtwende", sagte Mappus. "Was wir tun, ergibt sich aus sich selbst heraus. Ich glaube, es ist die einzige Möglichkeit, es so zu machen, wie wir's machen."
Der größte deutsche Energiekonzern Eon nimmt sein ältestes Kernkraftwerk Isar 1 in Bayern bereits vom Netz. Für die Dauer des von der Bundesregierung angekündigten Moratoriums werde der Betrieb der Anlage unterbrochen, teilte Eon in Düsseldorf mit.
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