Atomkraftwerks-Führung: Streit um Krümmel-Chefposten
Um die Nominierung der neuen Direktorin Ulrike Welte gibt es bis heute Streit zwischen Vattenfall und der Kieler Atomaufsicht. Bis dato kann die 55-Jährige die nötigen Qualifikationen nicht belegen.
Um die Nachfolge des Direktors des Atomkraftwerks (AKW) Krümmel ist es zwischen dem Betreiber Vattenfall Europe Nuclear Energy und der Atomaufsicht im Kieler Justizministerium zum handfesten Eklat gekommen. Hans-Dieter Lucht, der einstige Direktor, musste im Juli 2009 nach der Schnellabschaltung des AKWs zurücktreten. Gegen die Pläne des Energiekonzerns, mit der 55-jährigen Ingenieurin Ulrike Welte erstmals einer Frau die Leitung eines Atommeilers zu übertragen, hatte die Kieler Atomaufsicht im Justizministerium nach taz-Informationen Einwände erhoben, da die Physikerin nicht über die nötige Qualifikation verfüge. Dennoch gab Vattenfall per Pressemitteilung die Ernennung Weltes zum Frühjahr 2010 bekannt.
Lucht musste seinen Hut nehmen, da es nur zwei Wochen nach dem Wiederanfahren des Meilers am 4. Juli 2009 nach einem Kurzschluss im Transformator zur Reaktorschnellabschaltung gekommen war. Abermals wurde ein Informations-Chaos ausgelöst, obwohl Vattenfall mehr Transparenz in der Öffentlichkeit angekündigt hatte. Denn nicht Vattenfall informierte die Atomaufsicht über Störfall, sondern die Geesthachter Polizei über das Innenministerium. Die kommissarische Leitung übernahm Luchts Stellvertreter Walther Stubbe, der sich eigentlich kurz vor dem Ruhestand wähnte. Inzwischen soll mit Rainer Goertz ein neuer Interims-Chef im Amt sein. Eine Stellungnahme von Vattenfall war am Mittwoch jedoch nicht zu bekommen.
Nach der Vattenfall-Veröffentlichung über die Personalie Welte am 24. November, die in Kiel Unmut auslöste, gab Welte in Interviews bekannt, dass es ihr Ziel sei, "das Vertrauen der Menschen in die Anlage wiederzuerlangen", nachdem der Meiler wegen eines Trafo-Brandes zwischen dem 28. Juni 2007 bis zum 19. Juni 2009 abgeschaltet war. "Für alle, die sich interessieren, stehen unsere Türen zum Gespräch offen", sagte sie und kündigte das Wiederanfahren der Anlage bereits für den Frühsommer an. Welte und Vattenfall verschwiegen dabei, dass es schon zu dem Zeitpunkt Bedenken gegen ihre Person gab, da sie die atomrechtlichen Anforderungen einer entsprechenden BMU-Fachkunde-Richtlinie für diese Position nicht erfüllte - und auch bis heute nicht erfüllt.
Der Siedewasserreaktor ist mit einer Leistung von 1.400 Megawatt eines der größten AKWs in Deutschland. Er ist am 24. März 1984 erstmals ans Netz gegangen.
Die Atomaufsicht in Kiel überwacht den Betrieb der schleswig-holsteinischen Reaktoren Krümmel, Brokdorf und Brunsbüttel nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Umwelt (BMU).
Das Atomgesetz regelt nur den Rahmen des Betriebs von Atommeilern. Die Richtlinien, Verwaltungs- und Rechtsvorschriften werden vom BMU in Abstimmung mit den sechs Bundesländern, in denen Meiler betrieben werden, für alle rechtsverbindlich erlassen. Die Reaktorsicherheitskommission ist als Beratergremium tätig.
Die in Itzehoe geborene Welte hatte in Hannover Kerntechnik studiert, 1979 begann sie ihre Laufbahn bei den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) und gehörte von 1982 bis 1984 dem Krümmel-Inbetriebnahme-Team an. Danach hatte siedort diverse Funktionen - unter anderem als Fachbereichsleiterin Überwachung. In der Vattenfall-Pressemeldung wurde sie als "kompetente und erfahrene Kraftwerksleiterin" gefeiert.
Die Besetzung der Leitung eines AKWs sei zustimmungspflichtig, der Aufsichtsbehörde müsse die notwendige Qualifikation nachgewiesen werden, sagt Wolfgang Cloosters von der Atomaufsicht für Reaktorsicherheit. Von einem "Dissens" möchte er nicht reden, denn: "Es gibt eine klare Lage", so Cloosters. "Die Zustimmung ist noch nicht erteilt worden, weil sie die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt hat und noch nachreichen muss." De facto sei Welte also nicht Direktorin des Meilers.
"Es ist unfassbar, dass Vattenfall der Öffentlichkeit eine neue Kraftwerksleitung mit dem Wissen ankündigt, dass diese die erforderliche atomrechtliche Qualifikation zur Zeit gar nicht erfüllt", sagt Dirk Seifert, Energiereferent von der Umweltorganisation Robin Wood. Vattenfall bleibe offenkundig seiner Linie "Vertrauen durch Verschweigen" treu.
Er hofft daher, dass dieser Vorgang auf die Prüfung der atomrechtlichen Zuverlässigkeit des Betreibers Auswirkungen habe. Denn neben den vielen technischen Mängeln und Störfällen gehe es dabei auch um Mängel der Sicherheitskultur bei Vattenfall.
"Mehrfach ist es in den letzten Jahren vorgekommen, dass Vattenfall die vorgeschriebenen Meldewege nicht eingehalten und Behörden und Öffentlichkeit irreführend informiert hat", sagt Seifert. "Unter Vattenfall muss endlich ein Schlussstrich gezogen und dem Unternehmen die Lizenz zum Betrieb von Atomanlagen entzogen werden."
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