Atomkraft in Großbritannien: Strahlende „Verrücktheit“
Die Regierung hat Pläne für neue Atomkraftwerke vorgelegt. Die Opposition steht dahinter. Aktivist:innen sind fassungslos.
London taz | Die britische Regierung hat ihren neuen Nuklearplan vorgestellt. Demnach will sie ein weiteres Atomkraftwerk bauen. Bis 2050 sollen neue Reaktoren eine Leistung von 24 Gigawatt erbringen, um die britische Energieversorgung gegen den russischen Autokraten Wladimir Putin und für das Einhalten der CO2-Ziele zu rüsten. Die Laufzeit von vier der fünf existierenden AKWs soll außerdem verlängert werden.
Von der Labour-Opposition gab es dagegen keinen Widerstand. Ein Labour-Sprecher erklärte, dass die Partei nicht nur hinter der Erweiterung stehe, sondern sogar mehr getan hätte: „Die Konservativen haben in den letzten 14 Jahren keinen einzigen neuen Reaktor eröffnet, obwohl die letzte Labour-Regierung zehn Orte dafür bewilligt hatte.“
Britische Atomkraftgegner:innen verstehen hingegen die Welt nicht mehr. Chris Wilson von der Gruppe „Together Against Sizewell C“ (TASC) sprach von Verrücktheit. Seine Gruppe verlor kurz vor Weihnachten einen Rechtsstreit gegen das an der ostenglischen Küste in Suffolk geplante AKW Sizewell C. „Die Regierung redet von Energiesicherheit, doch Uran zur Betreibung der Anlagen gibt es in Großbritannien gar nicht“, bemerkt Wilson im Gespräch mit der taz. Zudem fehle es weiterhin an privaten Investitionen in das Projekt.
„Unsere Politiker:innen folgen einfach blind den Versprechen von Vertreter:innen der Nuklearindustrie“
Auch in Cumbria, an der nordenglischen Westküste geben sich Aktivist:innen fassungslos. Dort befindet sich der Ort Moorside. In Moorside erwägt die Regierung, ein neues Kernkraftwerk zu bauen – gleich neben dem sich im Abbau befindenden Nuklearkomplex Sellafield, wo strahlender Atommüll der letzten Jahrzehnte gelagert ist und verseuchtes Wasser in den Boden sickert.
„Ganz Großbritannien könnte durch diese Pläne Lagerstätte für Atommüll werden“, urteilt Marianne Birkby von der Anti-Atomkraft-Gruppe „Radiation Free Lakeland“. Sie und Wilson betonen beide, dass bis heute keine Langzeitlagerstätte für britischen Atommüll existiert. „Wenn Sie mich fragen, folgen unsere Politiker:innen einfach blind den Versprechen von Vertreter:innen der Nuklearindustrie, statt sie zu hinterfragen“, urteilt Wilson.
Leser*innenkommentare
hartmood
Ohne Atomkraft wird es nicht gehen, da sind die Engländer wie immer ganz pragmatisch wie auch der Rest der Welt. Die ganze Welt? Nein halt, ein kleines gallisches Dorf namens Germanistan ...
Oder wie das Wall Street Journal schon 2019 über Deutschland schrieb: "die dümmste Energiepolitik der Welt!"
Ajuga
205? 2050 wird es keinen Putin mehr geben. Und einen guten Teil der englischen Küste auch nicht mehr.
Tom Lehner
Obelix brachte es auf den Punkt: "Die spinnen die Briten!"