Asylpolitik in Deutschland: Abschiebung auch nach Afghanistan
Die Bundesregierung will bis zum Jahresende 26.500 Flüchtlinge abschieben, zumeist aus dem Westbalkan. Auch Syrer und Afghanen sind dabei.
Berlin taz | Deutschland schiebt in diesem Jahr voraussichtlich so viele Personen ab wie zuletzt im Jahr 2003. Nach einem Bericht der Rheinischen Post wurden bis Ende September 19.900 abgelehnte Asylbewerber in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt, fast so viele wie 2015 insgesamt. Bis Jahresende könnte die Zahl der Abschiebungen auf 26.500 steigen.
Rückführungen nach Albanien, Kosovo, Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro machten fast Dreiviertel aller Fälle aus. Auch Asylbewerber aus Syrien (426) und Afghanistan (199) wurden häufiger ausgewiesen als im Vorjahr.
Am Donnerstag wurde bekannt, dass die Bundesregierung 12.539 weitere Afghanen abschieben will. Dabei will sie im Einzelfall prüfen, ob nicht auch eine Abschiebung nach Afghanistan möglich ist. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei heißt es als Begründung: „Die Sicherheitslage … weist regionale Unterschiede auf.“ Von einer Verschlechterung im ganzen Land könne daher nicht gesprochen werden. Die Bedrohungslage für Zivilisten habe sich nicht verschlechtert. Aktuell werden Afghanen zum Großteil in andere EU-Länder oder Drittstaaten gebracht.
Kritik von der Linkspartei
„Der Versuch der Bundesregierung, sich die Sicherheitslage in Afghanistan schönzureden, ist erbärmlich“, kritisiert Ulla Jelpke von der Linkspartei. Abschiebungen nach Afghanistan seien für die Betroffenen mit einem hohen „Todesrisiko“ verbunden. Das unterstrichen zuletzt mehrere Anschläge.
Am Mittwoch tötete ein Selbstmordattentäter in der Hauptstadt Kabul sechs Menschen. Am Samstag kamen bei einem Selbstmordanschlag auf den US-Militärstützpunkt Bagram vier US-Bürger ums Leben. Nach Angaben der UN starben in Afghanistan seit 2009 21.323 Zivilisten. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat für Samstag zu einer Demonstration gegen Abschiebungen nach Afghanistan aufgerufen.
Gleichzeitig begrüßte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in Brüssel einen Vorschlag der EU-Kommission, die Bedingungen zur EU-Einreise zu verschärfen. „Ich glaube, es ist, angesichts der Sicherheitslage fair genug, wenn die Europäische Union sagt, wir wollen kurz vorher wissen, wer kommt.“ Das Kontrollsystem, das laut de Maizière bis 2020 kommen könnte, sieht eine Registrierungspflicht für Touristen und Geschäftsleute vor.
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