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Asylcamp bleibt in KreuzbergVorsichtig optimistisch

Nach Rundem Tisch nähern sich Flüchtlinge und Anwohner am Oranienplatz wieder an. Bürgermeister stellt sich hinter Camp, CDU sammelt Unterschriften dagegen.

Will und darf weiter bleiben: das Protestcamp der Flüchtlinge auf dem Oranienplatz. Bild: dpa

„Der Widerstand lebt“, stellt der ugandische Flüchtling Patras Bwansi gleich zu Beginn klar. „Wir werden weitermachen.“ Dann hält auch Bezirksbürgermeister Franz Schulz fest: „Das Bezirksamt steht weiter hinter dem Camp und den Forderungen der Flüchtlinge.“ Vor allem vor der Bundestagswahl, so der Grüne, habe das Protestlager die Chance, die „Politik zu zwingen, Stellung zu beziehen“.

Am Montagabend hatten sich die Flüchtlinge, die seit Oktober auf dem Oranienplatz für mehr Rechte protestieren, mit Schulz, Anwohnern und der Polizei zu einem runden Tisch getroffen. Eine Woche zuvor hatte ein Deutschtürke einen Campbewohner mit einem Messer attackiert. Tumult brach aus: Flüchtlinge versuchten den Täter festzuhalten, Bekannte des Angreifers bedrohten das Camp, die Polizei rückte zum Großeinsatz an. Mit dem Vorfall brachen Spannungen auf, die sich zuletzt zwischen Camp und Nachbarn angestaut hatten.

Am Dienstag präsentierten die Flüchtlinge auf einer Pressekonferenz im Camp die Ergebnisse ihrer Aussprache, wohl nicht zufällig unter dem Banner: „We are here and we will stay“. Man habe Abschiebungen verhindert und das Thema auf die politische Agenda gerückt, sagt Bwansi. Nun werde man auch die Probleme mit der Nachbarschaft lösen.

Zu laut, zu vermüllt sei das Camp, hatte dort mancher kritisiert. Bürgermeister Schulz spricht dennoch von einem „großen Einvernehmen“ des runden Tischs, der mit rund 50 Teilnehmern zusammengekommen sei. Als Erstes soll nun der Sanitärcontainer des Camps, der vor dem türkischen Café „Altin Köse“ steht und dort heftig beklagt wird, in die Prinzessinnenstraße versetzt werden.

In dem Café, das auch an dem Runden Tisch teilnimmt, äußert man sich vorsichtig zuversichtlich. „Das Gespräch war okay, aber jetzt wollen wir sehen, dass wirklich etwas passiert“, sagt ein Gast.

Die Flüchtlinge waren zuletzt auf die Anwohner zugegangen, hatte ihr Protestlager auf Vordermann gebracht. "Es ist normal, dass sich die Leute am Zustand des Camps stören", sagt der türkische Flüchtling Turgay Ulu. "Das tun wir auch. Wir sind ja nicht freiwillig hier." Er betont aber auch, dass es ihr Mitstreiter sei, der nach dem Messerangriff weiter im Krankenhaus liege.

Geschimpft wird auch über die Medien, die nach der Attacke „Lügen“ verbreitet hätten, und über die CDU, deren Abgeordneter Kurt Wansner am Oranienplatz Unterschriften für ein Ende des Camps sammelte – auch im Altin Köse. Dort bereut man zwar die Unterschrift, weil es nur um Stimmungsmache gegangen sei, nicht um eine Lösung. Dennoch: Das Camp könne nicht ewig den Oranienplatz blockieren. Genug Gesprächsstoff für den runden Tisch, der kommende Woche erneut tagen soll.

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9 Kommentare

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  • S
    Systemanalytiker

    Gleiches spielt sich gerade in München und Wien ab unter militanter Gutmenschen-Orchestrierung. Man testet, wie weit man am jeweiligen Ort gehen kann. Immer begleitet mit Jammern, Drohen, Wüten, Hungerstreiken, Messern und massenhaft Dreck.

  • A
    Anlieger

    @ Anwohner

     

    Jaja.... das linke Medien-Meinungs-Monopol. Einfach mal die Leserzahlen und Klicks zwischen hier der TAZ und zB. ein, zwei Springerblättern oder dem Spiegel vergleichen:

     

    1. Es gibt keine linke Mediendominanz

     

    und

     

    2. Es gibt in Berlin nicht so etwas wie eine Art von linker SA.

  • A
    aujau

    Dank an Dobermann, ohne Ironie. Die Fluechtlinge brauchen einen Ort, an dem sie sich organisieren koennen. Konflikte muessen besprochen und geloest werden, Allmende kann das sicher besser als Herr Wansner/CDU.

  • D
    dobermann

    @ Anwohner

     

     

    zitat: "... Typisch linkes Vorgehen seit Stalin..."

     

    was war an stalin typisch links?

  • K
    Klausi

    @Bobby

    Scheint für alle Salonlinken und Berufs-BetroffInnen wohl eine ganz neue Erfahrung zu sein, die noch so gar nicht wissenschaftlich erklärt werden kann:

    Ein Türke, per definitionem aller Gutmenschen also hier in Deutschland von vornherein Unterdrückter und rassistisch Verfolgter, sticht einen "Geflüchteten", per definitionem ein Opfer der weißen Mehrheitsgesellschaft und ebenfalls rassistisch verfolgt, mit einem Messer nieder.

    Was tun?

    Erst mal das einzige, was sich in einer solch vertrackten Situation bis zur dialektischen Klärung dieses weißgesellschaftlich verursachten Problems anbietet:

    Die rassistischen Berliner Polizeibeamten sind an allem schuld.

    Danke Bobby, ich war auch ziemlich verwirrt.

  • D
    D.J.

    Worin bestehen die beklagten "Medien-Lügen"? Ist es falsch, dass die Bewohner des Asylbewerbercamps die Verwandten (u.a. Kinderwagen) des Angreifers festgehalten haben? Nicht ganz unwichtig, denke ich. Und falls das richtig ist, waren es einzelne oder ein Großteil des Camps? Und ist es - für mich besonders wichtig - richtig, dass, wie auch die taz schrieb, betont wurde, dass man solcherlei Konflikte ohne Einmischung der Staatsgewalt lösen möchte?

  • B
    Bobby

    Was ich wirklich einen Skandal finde, ist die Pressemitteilung der Polizei zu der Messer-Attacke, die von fast allen Medien übernommen wurde.

     

    Dort hieß es am Morgen nach der Tat, dass sich der Täter provoziert gefühlt hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei mit dem Täter noch gar nicht gesprochen, wie sie später bekannt gab. Während die Zeug_innen aus dem Camp nicht erwähnt wurden, die rassistische Beleidigungen gehört haben wollen, wurde das Gefühl des Täters einfach angenommen, um Ursache (vermeintliche Provokation) und Wirkung (Messerstich) festzulegen.

     

    Der Messerstich wurde zudem als oberflächlich beschrieben, was fast alle Medien übernommen haben, obwohl die Person immer noch im Krankenhaus stationär behandelt wird.

     

    Es ist wohl offensichtlich, dass die Polizei versucht hat den Angriff herunterzuspielen (ohne mal zu fragen, warum man ein Messer mit sich führt, 5 Meter am Angegriffenen vorbei läuft, sein Kind zurückläßt und dann zusticht), um dem Camp die Schuld in die Schuhe zu schieben, weil man selber total überfordert war. Der alltagsrassistische, berliner Polizist kommt offensichtlich nicht damit klar, dass das Camp von außen angegriffen wurde. Es hat über zwei Stunden gedauert bis die überhaupt begriffen haben, dass sich ein Mob von Angreifern gegenüber dem Camp gebildet hatte (davor waren die Reihen nur auf das Camp ausgerichtet).

  • A
    Anna

    Lieber Herr Bürgermeister, in der Schweiz gab´s vor kurzem eine Volksabstimmung, wie sie ja sicher wissen.

    Glauben sie denn, das deutsche Volk würde da anders abstimmen? Bei allem Verständnis: Solange keiner tatsächlich bereit ist, Verfolgte aufzunehmen, ist das Ganze an Scheinheiligkeit nicht mehr zu toppen.

  • A
    Anwohner

    Jeder Gegner des "Camps" wird bedroht und medial niedergemacht. Schon steigt die Zustimmung "der Anwohner". Typisch linkes Vorgehen seit Stalin. Zum Glück glaubt der taz bei solchen Themen kein Mensch.