Asylbewerber in Berlin: BMW glaubt, nicht böse zu sein
Angeblich wollen die Autobauer keine Flüchtlinge im Hinterhof. Unsinn, sagt der Konzern. Warum verlängert der Senat nicht den Mietvertrag des Heims?
BERLIN taz | Langsam lichtet sich das Dunkel um das Charlottenburger Asylbewerberheim, das angeblich seinem neuen Nachbarn BMW ein Dorn im Auge ist. Das Unternehmen teilte mit, es habe keine Probleme mit den Flüchtlingen. Zudem erfuhr die taz aus gut unterrichteten Kreisen, dass die Unterkunft auch über den Jahreswechsel hinaus offen bleibt – wie lange, bleibt allerdings unklar. Politiker der Oppositionsparteien übten Kritik am Senat.
Wie die taz am Dienstag berichtete, hatten Bezirkspolitiker aus Charlottenburg-Wilmersdorf von einer Absprache zwischen Senat und BMW berichtet, die Flüchtlingsunterkunft nur bis zur Eröffnung der neuen BMW-Hauptstadtrepräsentanz am Kaiserdamm im Frühjahr 2014 zu betreiben. Tatsächlich läuft der aktuelle Mietvertrag des Heims zum Jahresende aus und ist bis dato nicht verlängert worden.
Dem trat BMW nun entgegen: „Wir haben an einer Verdrängung der Asylbewerber kein Interesse“, so Unternehmenssprecherin Birgit Hiller am Dienstag zur taz. „Einer Vertragsverlängerung stehen wir nicht im Wege.“
Alles in Ordnung also? Nicht ganz: Beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) wollte man sich nicht zur taz-Anfrage äußern, ob es mit dem Heim weitergehe, und verwies auf die Sozialverwaltung von Senator Mario Czaja (CDU). Aber auch dessen Sprecherin blieb unverbindlich: „Objekte, in denen wir Flüchtlinge unterbringen, sind immer in temporärer Nutzung.“ Der Vertrag für das Heim ende am 31. 12., über eine „zwischenzeitige Weiternutzung“ werde aber gesprochen. Ob das auch die Zeit nach der BMW-Einweihung betrifft, blieb offen.
„Das wäre ein Skandal“
Derweil bezogen die Oppositionsparteien Stellung zu dem Fall: „Sollte es die behaupteten Absprachen geben, dass Flüchtlingsunterkünfte auf Wunsch von Unternehmen nicht betrieben werden, wäre das ein echter Skandal“, sagt die Linke Elke Breitenbach. Grünen-Chef Daniel Wesener forderte die Sozialverwaltung auf, den Mietvertrag sofort zu verlängern, um alle Befürchtungen auszuräumen. „Alle wissen, dass Unterkünfte für Flüchtlinge Mangelware sind. Wer bei den Berlinern für Weltoffenheit und Humanität wirbt, muss das auch gegenüber einem Autobauer einfordern.“ Für Pirat Fabio Reinhardt stellt der Senat Unternehmens- und Standortinteressen über die Bedürfnisse sozial Schwacher. „Wir Piraten sind angetreten, das zu ändern, und werden da nicht lockerlassen.“
Auch im Bundestag ist das Thema angekommen: Die Charlottenburger Abgeordnete Lisa Paus (Grüne) wird sich heute mit einer BMW-Vertreterin treffen. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass sich das Unternehmen seiner sozialen Verantwortung stellt“, sagte sie der taz. „Auch ein CO2-neutraler Firmensitz darf nicht auf dem Rücken der Schwächsten gebaut werden.“
Eigentlich spricht nichts gegen die Verlängerung des Mietvertrags: Der Gebäudeeigentümer hat dem Senat längst einen Vertrag für weitere fünf Jahre angeboten. Aber Pirat Reinhardt hat nach eigenen Angaben Informationen darüber, dass „ein unterschriftsreifer Vertrag über eine längerfristige Weiterbetreibung des Heims seit Langem auf den Schreibtischen von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Lageso-Präsident Franz Allert liegt“. Die Unterschriften fehlten nur, weil es „ein mehrere Jahre altes Schreiben an BMW gibt, in dem die Senatskanzlei erklärt, das Flüchtlingsheim solle nur bis 2013 belegt werden“.
Senatssprecher Richard Meng räumte die Existenz eines solchen Schreibens gegenüber der taz ein – es enthalte aber keine Verpflichtung gegenüber BMW, sondern gebe nur den Planungsstand wieder. Eine erneute Anfrage der taz, das Schreiben einzusehen, wurde ignoriert. Nun hat die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram angekündigt, Akteneinsicht zu beantragen.
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