Asyl-Klagen vor Verwaltungsgerichten: Zehntausende anhängige Verfahren
Wer hat ein Anrecht auf Asyl in Deutschland? Hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu Recht Anträge abgelehnt? Viele Fälle landen vor Gericht.
Nach 2015 sei die Zahl der Klagen von Asylsuchenden bundesweit enorm gestiegen. Beim Verwaltungsgericht in der Hauptstadt sei die Entwicklung im Juni 2016 angekommen, seitdem gingen die Zahlen in die Höhe. Jetzt seien fünf neue Kammern gebildet worden, deren Richter ausschließlich über Klagen von Menschen entscheiden, die gegen ihre Ablehnung als Asylbewerber oder eine geplante Abschiebung vorgehen.
Am häufigsten würden sich Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak an das Gericht wenden. Allein von Syrern seien mit Stand Ende Juni rund 4300 Klagen anhängig. „Geklagt wird immer, um den Flüchtlingsstatus zu erreichen – das ist das Ziel“, sagte Xalter. Nur ein kleiner Teil der Klagen sei erfolgreich. Ein Teil werde aber auch während des Verfahrens zurückgenommen, etwa wenn das Bundesamt inzwischen den Flüchtling anerkannt oder Hindernisse für die Abschiebung festgestellt hat.
Bei den syrischen Flüchtlingen warteten die Verwaltungsrichter wegen unterschiedlicher Urteile auf eine Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg bis zum Jahresende. Davon erhoffe man sich auch Klärung solcher Fragen wie: Was passiert mit einem Syrer, der sich dem Wehrdienst entzogen hat, 2015 weggegangen ist nun nach Damaskus zurück soll? Was passiert mit der einfachen Frau, die vor den Bomben geflohen ist? „Diese Fragen müssen entschieden werden.“
Verfahren über ein Jahr
Gerade in mündlichen Verhandlungen bekämen die Richter menschliche Tragödien mit – „da kann es sein, dass Tränen fließen, Traumata geflüchteter Menschen werden sichtbar“, sagte die Gerichtspräsidentin. Als anerkannter Flüchtling könne man seine Familie nachholen. Wer nur sogenannten subsidiären Schutz habe, bei dem sei der Familiennachzug ausgesetzt.
Eilentscheidungen dauern derzeit laut Xalter etwa 1,4 Monate. Rund die Hälfte der Asylklagen sei jedoch älter als ein Jahr. Die Dauer der Verfahren werde sich höchstwahrscheinlich verlängern. In den letzten zehn Jahren habe das Gericht immer mehr Verfahren erledigen können als neu eingingen. Das sei im Moment nicht zu schaffen.
Das Gericht hat 113 Richter, davon arbeiteten 22 in Teilzeit. Vor einem Jahr seien es 94 Richter gewesen. Im ersten Halbjahr seien aber so viele Verfahren eingegangen wie sonst fast in einem ganzen Jahr. „Ich hoffe, dass sich das jetzt verlangsamt“, so die Gerichtspräsidentin. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe einen Großteil der Anträge von Flüchtlingen abgearbeitet. Erst mit einem solchen Bescheid können Entscheidungen angefochten werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Die Wahrheit
Glückliches Jahr