Artenschutz: Der Wolf darf gejagt werden
Der Bestand des Wolfes ist gefährdet. In Finnland etwa leben circa 170 Tiere. Abschussgenehmigungen gibt es in der EU trotzdem.
STOCKHOLM taz Der Wolf gehört in vielen EU-Ländern zu den vom Aussterben zedrohten Tierarten und steht deshalb unter dem Artenschutzgesetz. Trotzdem darf er hier auch zukünftig weiter gejagt werden - wenn auch nur ausnahmsweise. Das hat der EU-Gerichtshof nun in einem Verfahren gegen Finnland entschieden.
Die EU-Kommission hatte bereits 2005 Helsinki verklagt. Sie war der Auffassung, die finnischen Behörden erteilten Abschussgenehmigungen für Wölfe ohne Rücksicht auf die Bestandsgefährdung. Doch diesen Beweis blieb die Kommission nach Ansicht der Richter in Luxemburg weitgehend schuldig.
In Finnland leben derzeit 150 bis 180 Wölfe - darunter aber nur 20 fortpflanzungsfähige Paare. Das reicht vor allem wegen der bei dieser geringen Stückzahl großen Inzestgefahr nicht, die langfristige Aufrechterhaltung einer Wolfspopulation zu sichern. Das meint auch der EU-Gerichtshof und sieht damit jeden Abschuss grundsätzlich als eine drohende Bestandsgefährdung an. Finnland verstoße aber durch die Erteilung einzelner Jagdlizenzen dann nicht gegen das Artenschutzgesetz, wenn es "Problemindividuen" zum Abschuss freigebe. Darunter werden in erster Linie jene Wölfe verstanden, die ihre natürliche Scheu vor dem Menschen zu sehr verloren hätten - und daher für diesen, Haustiere oder landwirtschaftlichen Viehbestand eine Gefahr darstellen könnten.
Finnland wird nun vom EU-Gericht dafür kritisiert, dass Abschussgenehmigungen teilweise vorbeugend erteilt wurden - und nicht in jedem Einzelfall ersichtlich sei, dass diese zur Vermeidung eines drohenden Schadens dienten. Das kritisieren Naturschutzorganisationen schon länger: Viele Jäger würden routinemäßig Abschussgenehmigungen beantragen, weil sie die Wölfe als Konkurrenten für die eigene Jagd ansehen. Und oft erhielten sie diese auch. Das Gericht hält das für unzulässig.
Ob die vom EU-Gericht verfügten strengeren Voraussetzungen für die Erteilung von Abschussgenehmigungen an der Bestandsgefährdung etwas ändern werden, ist fraglich. Das Landwirtschaftsministerium zeigte sich nämlich in einer ersten Stellungnahme mit seiner bisherigen Praxis im Prinzip bestätigt. Vermutlich werden in Zukunft Anträge und Genehmigungen eben "wasserdicht" formuliert werden.
Am Wolf scheiden sich in Finnland nämlich die Geister. So sprach die damalige Kultusministerin Tanja Karpela im vergangenen Jahr von "irrationaler Angst" und warf ihren Landleuten "pure Jagdlust gemixt mit einem falsch verstandenes Heldentum" vor. Sie beklagte, dass Wölfe nicht nur genehmigt wie ungenehmigt abgeschossen, sondern "auf grausamste Art getötet, überfahren, mit Stromstößen umgebracht oder ertränkt" würden. Der finnische Europa-Parlamentarier Henrik Lax wirft hingegen Brüssel eine auf Unwissenheit und Wildtierromantik gegründete Wolfspolitik vor. Die EU tue sich keinen Gefallen, wenn "es Finnen diktieren will, wie sie ihr Eigentum und ihre Haustiere vor den wilden Räubern" schützen dürfen, kritisiert er. Doch tatsächlich sind die "wilden Räuber" beispielsweise wesentlich ungefährlicher für Hunde als deren eigene Besitzer: Laut Statistik werden in Finnland mehr Hunde auf der Jagd versehentlich vom eigenen Herrchen erschossen, als dass sie Opfer von Wölfen werden.
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