Arte-Serie „Machine – die Kämpferin“: Karl Marx und Kung-Fu
In der Arte-Serie „Machine – die Kämpferin“ führt eine Ex-Soldatin eine Fabrik in die Selbstverwaltung. Es ist ein linkes Pop-Märchen.
Wenn die junge Aushilfsarbeiterin mit dem programmatischen Namen Machine (Margot Bancilhon) erst einmal zuschlägt, gibt es kaum mehr Gegenwehr. Dann ist es ganz egal, ob sie aufdringliche Macker, Neonazis, Steuerprüfer, Polizisten oder Gewerkschafter verprügelt, die sich der Selbstverwaltung ihres Küchenmaschinen produzierenden Betriebs entgegenstellen. Die französische Arte-Serie „Machine – die Kämpferin“ ist eine eigenwillige Genre-Mischung aus Krimi, Martial Arts, Sozialdrama, Action-Spektakel und Politthriller. Im Zentrum der Geschichte steht die titelgebende Machine.
Früher war sie Elite-Soldatin, kam traumatisiert von einem Auslandseinsatz in ihre Heimatstadt in der französischen Provinz zurück. Sie nimmt einen Job in einer Firma an, die gerade von einem koreanischen Investor gekauft wird, der die Produktion auslagern will. Es kommt zum Streik, die Präfektur will den Deal unbedingt über die Bühne bringen und setzt Robert (Sébastien Lalanne), einen Mann fürs Grobe, ein, der ein paar Nazis anheuert, um die Streikenden mit Gewalt zur Aufgabe zu bringen.
Nur hat er nicht mit Machines Kampfkünsten gerechnet, die das halbe Dutzend Nazi-Schläger verdrischt, während ihre Gewerkschaftskolleginnen davon gar nichts mitbekommen und derweil eifrig diskutieren, wie viele Würste und Bier sie für die nächsten Tage der Werkbesetzung bestellen sollen.
Machine freundet sich mit dem von allen belächelten Arbeitskollegen JP an, der von der mittlerweile auch schon 56-jährigen französischen Hip Hop-Legende JoeyStarr gespielt wird und der gern mit Marx-Zitaten um sich schmeißt.
Klassenkampf, im wahrsten Sinne des Wortes
„Machine – die Kämpferin“, abrufbar in der Arte-Mediathek
Jeder der sechs Episoden ist der legendäre Ausspruch von Emmanuel Macron vorangestellt, der vom Beginn seiner Präsidentschaft 2017 aus einem Interview mit der Zeitschrift „Elle“ stammt: „Mein Rat an die Jugend: lest Karl Marx!“.
Machine, die außerdem vom Geheimdienst und einem rachsüchtigen Elitesoldaten gesucht wird, beginnt das Kapital von Marx als Comic zu lesen, während JP zur Selbstorganisation des Betriebs aufruft und sich gegen die Gewerkschafter durchsetzt, die auf Abfindungen spekulieren.
Das wirkt zwar immer wieder aufgesetzt, vor allem, wenn Machine den Klassenkampf mit Kung Fu ausfechtet, ist aber ungemein flott erzählt und macht deutlich, wie kämpferisch Sozial- und Arbeitsverhältnisse im Nachbarland Frankreich verhandelt werden. Das Konterfei JPs, der dem Unternehmer den Stinkefinger zeigt, wird schließlich zum Logo der erfolgreichen Selbstverwaltung, die aber immer mehr unter Druck gerät.
Potpourri popkultureller Querverweise
„Machine – die Kämpferin“ teilt in alle Richtungen aus, führt biedere Gewerkschafter ebenso vor wie rechte Geheimdienstmitarbeiter und Militärs, wie man sie aus den Politkrimis von Jerome Leroy kennt, sorgt aber dafür, dass sich die mitunter sympathischen Provinzgendarmen mit der Arbeiterschaft solidarisieren. Das kommt über weite Strecken als handwerklich gut gemachter Actionthriller mit satirischen Schlenkern daher, ist mit reichlich HipHop-Musik und Punk unterlegt, wird stellenweise sehr brutal und bietet ein ganzes Potpourri popkultureller Querverweise.
Machines blinder, kryptische Weisheiten von sich gebender Kung-Fu-Meister aus der Provinz, der mit Stock im Martial Arts-Studio herumläuft, ist eine liebevolle Hommage an die Kult-Serie „Kung Fu“ aus den 1970er Jahren. Im gelben Aushilfsarbeiteranzug mit schwarzen Seitenstreifen erinnert Machine an „Kill Bill“. Das wirkt, als hätten Ken Loach und Quentin Tarantino eine französische Klassenkampfsaga gedreht.
Dazu kommt noch die romantische Liebelei des koreanischen Unternehmersohnes Wook Kwandai (Guang Huo) mit der Hotelangestellten Stephanie (Solène Rigot) im K-Pop-Style, und immer wieder drängt sich der Videoblogger Final Fuck (Michaël Abiteboul) ins Bild, der den Kampf um die Selbstverwaltung medial sichtbar macht. Ende März wurde dieses temporeiche linke Pop-Märchen über trinkfeste Provinzarbeiterinnen, Freundschaft, Solidarität und politischen Kampf beim wichtigsten europäischen Serienfestival in Lille als bester französischer Beitrag ausgezeichnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren