Aromastoffe in Lebensmitteln: Natürlich – und doch künstlich
Sägespäne im Erdbeerjoghurt? Ganz so schlimm ist es nicht. Dennoch: Verbraucherschützer kritisieren die Kennzeichnung von Aromastoffen.
BERLIN taz | Was haben Pfeffer, einige Hölzer und Vanilleschoten gemeinsam? Aus allem lässt sich Vanillearoma gewinnen. Auf Umwegen zwar, aber am Ende landet die Substanz im Jogurt, Eis oder Kuchen. Für den Verbraucher ist dabei nur schwer zu erkennen, welchen Ursprung der Geschmack hat.
Wenn an diesem Montag das Landgericht München im Streit zwischen Ritter Sport und der Stiftung Warentest entscheidet, sind solche Fragen Hintergrund des Verfahrens. Die Tester hatten bemängelt, die Schokoladensorte Ritter Sport Voll-Nuss enthalte chemisch hergestelltes Aroma. Das Unternehmen behauptet, sein Zulieferer habe versichert: Das Aroma sei „natürlich“.
Dass Hersteller überhaupt fremde Stoffe für Aromen einsetzen, liegt am Verhältnis von Angebot und Nachfrage – und damit am Preis. Zum Beispiel Vanillin, einer der Aromastoffe, der laut dem Deutschen Verband der Aromenindustrie (DVAI) weltweit am häufigsten eingesetzt wird. Es findet sich in Vanilleeis oder -pudding wie in Backwaren, Schokoladen und Getränken. Der Geschmack nach Vanille muss dabei gar nicht im Vordergrund stehen. Laut Ritter Sport nehmen Kunden Kakaogeschmack bei Schokolade durch Vanillearoma harmonischer wahr.
15.000 Tonnen Vanillin jährlich werden laut DVAI verarbeitet, über 90 Prozent davon aus synthetischen Quellen. Und auch wenn „natürlich“ auf der Verpackung steht, stammt der Vanillegeschmack keineswegs immer aus einer Vanilleschote – sondern etwa aus Pfeffer oder Ferulasäure, die aus Reiskleie gewonnen und dann durch Mikroorganismen in Vanillin umgewandelt wird.
Produktionsmethoden bleiben geheim
Egal ob chemisch oder nicht – die Hersteller lassen sich dabei nicht freiwillig in die Karten gucken. Sie fürchten Nachahmer. Auch der Ritter-Sport-Zulieferer Symrise stellte die Produktionsmethode seines Aromastoffs im Gerichtssaal nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor.
Für Verbraucher sind die Unterschiede anhand der Angaben auf der Verpackung fast nicht zu erkennen. Denn es kommt auf Feinheiten in der Wortwahl an. „Natürliches Vanillearoma“ muss zu mindestens 95 Prozent aus Vanilleschoten stammen. „Natürliches Aroma“ dagegen muss zwar aus natürlicher Quelle, aber nicht notwendigerweise einem Lebensmittel gewonnen werden.
So stammt Vanillearoma etwa aus Lignin, das in Zellwänden vorkommt, also in Hölzern. Steht nur „Aroma“ auf der Verpackung, ist es wahrscheinlich chemisch hergestellt. Die frühere Kennzeichnung „naturidentisch“ gibt es nicht mehr.
Verbraucherzentrale: „Gefühlte Täuschung“
„Die Kennzeichnung ist sehr missverständlich“, kritisiert Andreas Winkler von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Doris Gräfe von der Verbraucherzentrale NRW spricht von „gefühlter Täuschung“. Schließlich sei die Kennzeichnung an sich korrekt – aber der Verbraucher verstehe sie eben häufig anders, als sie gemeint ist. Gräfe fordert zwei Änderungen: Zunächst dürfe auf einer Verpackung nicht mit etwas geworben werden, das gar nicht im Produkt sei. Zeige eine Packung von Vanillekipferln also Vanilleschoten, müssten die auch für das Gebäck verarbeitet worden sein. Darüber hinaus müsse die sogenannte Verkehrsbezeichnung – also der Name eines Produkts – eindeutiger werden. Vanillekipferl also nur, wenn auch echte Vanille aus der Schote enthalten ist, ansonsten eben Kipferl mit Vanillin.
Dass Erdbeeraroma aus Sägespänen gewonnen wird, ist übrigens nicht richtig – aber auch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Während für ein Kilogramm Erdbeeraroma laut DVAI im Schnitt zehn Tonnen Erdbeeren verarbeitet werden müssen, hat es die Lebensmittelindustrie aus anderen Quellen einfacher. Denn wenn sie einen Erdbeergeschmack erzeugen will, muss sie nicht alle 200 Stoffe in der Frucht nachbilden. 15 bis 20 Schlüsselaromen entscheiden darüber, ob wir letztlich eine Erdbeere schmecken. Als ein Teil davon kann Zimtöl eine Rolle spielen – gewonnen aus dem Holz des Ceylon-Zimtbaums.
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