Armee gegen Islamisten in Nigeria: Strategien der Einschüchterung
Während das Militär Erfolge lobt, greifen die Islamisten von Boko Haram immer öfter Schulen und Dörfer an. Bisher hießen die Ziele Militär und Polizei.
ABUJA taz | 35 Leichen – allesamt in Soldaten-Uniformen – sollen es sein, die Anfang der Woche in ein Leichenschauhaus im nördlichen Bundesstaat Yobe gebracht wurden. Sie gehören offenbar zu den jüngsten Opfern der Kämpfe zwischen der nigerianischen Armee und der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram, berichteten mehrere nigerianische Tageszeitungen am Dienstag.
Die Soldaten sollen bei einem Einsatz in Damaturu, der Hauptstadt von Yobe, Ende vergangener Woche ums Leben gekommen sein. 74 Islamisten wurden nach Militärangaben außerdem in Borno getötet – bei einer groß angelegten Offensive gegen zwei Islamistencamps.
Wie verlässlich all diese Zahlen jedoch sind, lässt sich nur schwer sagen. Niemand zählt beispielsweise die Opfer, die an den Folgen von Verletzungen später in den Krankenhäusern sterben.
Im Fall von Damaturu heißt es außerdem aus Militärkreisen, dass die Zahl zu hoch gegriffen sei, auch wenn es tatsächlich Tote gegeben habe. Schon das gesteht das Militär nicht gern ein. Es sieht nach Schwäche aus.
Ausnahmezustand in drei Bundesstaaten
Die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ mit Sitz in Göttingen hat vergangene Woche geschätzt, dass seit Mai diesen Jahres insgesamt 1.100 Menschen in Nigeria Opfer islamistischer Gewalt geworden sind. So lange gilt bereits der Ausnahmezustand in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Er soll dem Militär gezielte und groß angelegte Angriffe gegen die Terroristen ermöglichen.
In der Hauptstadt Abuja gibt es weiterhin viel Rückhalt dafür. Zum Beispiel gilt Maiduguri, Hauptstadt von Borno und Islamistenhochburg, mittlerweile wieder als sicherer. Märkte sind geöffnet und Waren können – trotz Überfällen auf den Landstraßen – in die Region transportiert werden. „Der Ausnahmezustand hat durchaus geholfen“, schätzt Nnamdi Obasi, Nigeria-Analyst der International Crisis Group. Angriffe wie früher würden mittlerweile ausbleiben.
Allerdings ist die Region dennoch alles andere als sicher, auch wenn sich das nigerianische Militär gerne mit Erfolgen rühmt. So hat der Armeesprecher, General Ibrahim Attahiru, gerade in Abuja einige Erfolge aufgezählt, etwa in Gamboru-Ngala, einer Stadt an der Grenze zu Kamerun. Direkt nach ihrem Eintreffen hätten die Soldaten die Islamisten festnehmen können.
Doch Attahiru gibt auch zu: Es sei nicht leicht, gegen die Terroristen vorzugehen, wenn sie nun in die Nachbarländer Kamerun und Niger flüchteten.
„Weiche Ziele“ bevorzugt
Genau diese Entwicklung bringt auch für Nigeria-Spezialist Obasi weitere Probleme mit sich. „Die Unruhestifter haben ihre Taktik geändert. Sie suchen sich nicht mehr sogenannte harte Ziele wie Polizeistationen und Gefängnisse.“ Stattdessen würde die Gruppe jetzt Schulen angreifen, die westliche Bildung vermitteln, und Dörfer, deren Bewohner angeblich das Militär unterstützen.
Häufig liegen die angegriffenen Orte weit abseits von großen Städten. Straßenverbindungen sind schlecht, und Schutz durch Militär oder Polizei gibt es erst recht nicht. Damit entwickelt Boko Haram nun eine neue Taktik: „Die Gruppe schürt in den Köpfen der Menschen Angst.“
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